Industrieller Brückenschluss?

■ Das Emssperrwerk im ostfriesischen Gandersum ist gerade im Bau, da machen die Niederlande Druck für eine Brücke über den Dollart / Naturschützer befürchten Industrialisierung der Region

Kaum ist das Emssperrwerk bei Gandersum im Bau, wird in Ostfriesland das nächste Großprojekt geplant. Die Emsmündung – der Dollart – soll von Termunden in Holland bis zur Knock bei Emden knapp zwei Kilometer untertunnelt oder überbrückt werden. Besonders die Holländer machen sich für eine solche direkte Verbindung stark. „Man muß Visionen haben“, sagt Hinrikus Jager, Chef des Verkehrsvereins Appingedam (NL). Erste Studien liegen bereits vor, und auch von deutscher Seite bekommt Jager Unterstützung. Naturschützer indes befürchten eine großflächige Industrialisierung der Region.

Die Idee, eine Dollart-Brücke oder einen Tunnel zu bauen, ist nicht neu, wurde aber lange Zeit ebenso als Scherz abgetan wie das Emsperrwerk. Geboren wurde sie in den siebziger Jahren. Damals entwarf man die gesamte niederländische und ostfriesische Küste als ein gigantisches Industriezentrum. Unter anderem wurde der gesamte Dollart grenzüberschreitend als Seehafen angelegt. Genau dies fordert jetzt wieder Fremdenverkehrschef Hinrikus Jager: „Jetzt geht es der deutschen und niederländischen Wirtschaft gut, jetzt müssen Pflöcke eingeschlagen werden.“

Dazu gehört seiner Ansicht nach eine Transrapidstrecke zwischen Amsterdam, Bremen und Hamburg, dazu gehöre eine Brücke oder ein Tunnel über den Dollart. Auch ein einheitliches Management der Häfen, Eemshaven, Delfzijl, Emden, Leer und Papenburg müsse kommen. „Es geht nicht an, dass ein Schiff von See kommt und auf jeder Station an der Ems Hafengebühren bezahlt“, meint Hinrikus Jager.

Der Dollart ist der Mündungstrichter der Ems in die Nordsee. Von Bremen ausgesehen liegt rechts Emden, links Delfzijl. Emden ist Hafenstadt, Delfzijl ist Hafenstadt und das Chemiezentrum des niederländischen Nordens. Mit Eemshaven verfügt Holland über einen Tiefwasserhafen am Eingang des Dollarts. Dort werden beispielsweise die Luxusliner der Papenburger Meyer-Werft hingeschleppt und weiter ausgebaut.

Eine erste Untersuchung der Uni Groningen stellt einen drei Stufenplan für eine direkte Verkehrsverbindung Holland-Deutschland auf. Zuerst soll eine Schnellfähre zwischen Emden und Delfzijl eingesetzt werden. „Die jetzige saisonale Verbindung für Fußgänger und Radfahrer ist ein Witz. Wir brauchen eine Auto- und LKW-Fähre“, meint Erich Bolinius, FDP-Ratsherr in Emden. Er wirbt auf deutscher Seite für die Brückenidee. Ganz nebenbei outet sich der bekannte Sperrwerksgegner Bolinius als Sperrwerksbefürworter: „Über das Sperrwerk hätte eine Strasse gebaut werden müssen. Für ein paar Millionen Mark mehr wäre es dann sinnvoll gewesen.“

Im zweiten Schritt soll eine jetzt in Holland in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zeigen, was kostengünstiger und effektiver ist – eine Brücke oder ein Tunnel. Danach soll es mit dem Bau losgehen. „Frühestens in zehn Jahren“, meint Hinrikus Jager, der die Untersuchung in Auftrag gegeben hat – und erstaunlicherweise über die dazu nötigen Mittel zu verfügen scheint.

„Eine Brücke über die Ems, das ist die Wiederbelebung der großflächigen Industriepläne der 70er Jahre“, fürchtet Eilert Voss. Der Emdener ist der alte Mann am Dollart. Er ist einer derjenigen, die sich jahrzehntelang für den Erhalt der Natur in der Region eingesetzt haben. Nach dem Bau des Emssperrwerkes hat Voss, wie viele andere lokale Naturschützer auch, jedoch resigniert und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

Die Brücken-Pläne interpretiert er so: Die niederländische Chemieindustrie brauche das deutsche Festland; in Holland seien die Expansionsmöglichkeiten erschöpft. In Emden sei am Rysumer Nacken, also am deutschen Dollart-Eingang, ohnehin schon eine Industriefläche geplant gewesen. Wenn jetzt der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven gebaut wird, seien schnelle Verkehrsverbindungen überlebenswichtig für die Wirtschaft. „Da schaut doch kein Schwein mehr auf die Natur“, meint Voss.

Übrigens: Neben dem Ausbau der A 31 zwischen dem Ruhrgebiet entlang der niederländischen Grenze nach Emden, an deren Finanzierung sich auch niederländische Handelskammern beteiligen, schlummern im Zusammenhang mit dem geplanten Bau des Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven weitere Autobahnpläne, Kanalbauten und sogar ein Großflughafen in der Nähe Wilhelmshavens als Entwürfe in den Behördenschubladen.

Thomas Schumacher