Aus der bunten Überwelt

Schriften zu Zeitschriften: Das Projekt babylon 1.7 und seine Liebeserklärung an die Medien bieten Blumiges auf Bütten

Dieses Papier. Also dieses Papier. Wenn es irgendwo in der Welt tatsächlich ernsthafte Bestrebungen geben sollte, das gedruckte Buch abzuschaffen, dann, Buchabschaffer, schaut auf diese Zeitschrift, schaut auf dieses Papier. Es nennt sich „Gmund Valentinoise“ und blättert sich so wertvoll, fest, rauh, so strukturiert, stabil und beständig, dass man eigentlich beharrlich blättern möchte und kaum zum Lesen kommt. Zum Lesen der Texte, die alle von der Abschaffung des Buches handeln, von der Zukunft des Schreibens, des Drucks, von der Beständigkeit modernster und antikester Datenträger und von der Literatur.

Die Zeitschrift heißt Liebeserklärung an die Medien. Klingt kitschig, und kitschig sind auch die meisten Texte. „In dieser Not (in der sich die alten Medien befinden) bricht sich ein Hoffnungsstrahl seinen Weg: Da gibt es noch welche – die lieben dich. Die wollen und werden dir helfen“, schreibt der Professor für Kommunikationsdesign Bernd Jahnke in seinem Editorial. Und er schreibt noch anderes Blumiges. Über die Verknüpfung, das produktive Zusammenspiel zwischen Buch und Internet, zwischen Druck und Bildschirm, Hypertext und Unterwelt.

Diese „Liebeserklärung an die Medien“ ist keineswegs als Liebeserklärung an die alten Medien gemeint, sondern ist ein Aufruf zur Zusammenarbeit zwischen Neu und Alt. Deshalb startet parallel zur Auftaktnummer unter www.babylon17.ch ein Internetprojekt, in dem mit zahllosen Links, Hyperlinks und Diskussionsforen eine Art Über- und Nebenzeitschrift ins Leben gerufen werden soll. Wie dieses Projekt genau funktionieren wird, ist noch nicht klar, neue Autoren sind willkommen, heißt es noch. Ausgangspunkte sollen die „Themenräume“ sein, die in der Printausgabe vorgegeben wurden. Nur dass diese Themenräume bei www.babylon17.ch „keine Wände, keine Türen“ haben. Durch kunstvoll gesetzte Links sollen neue Texte geschaffen werden, so heißt es. Bislang ist dort, in diesen schönen, potenziell grenzenlosen Möglichkeitsräumen noch nicht viel Kunstvolles zu sehen.

Dafür im Gedruckten: großzügige, manchmal ganzseitige Grafiken, Laserdiagramme, Pixelpuzzle, Ausstanzmöglichkeiten, bunter Verknüpfungswahnsinn. Außerdem ist die Zeitschrift – sehr praktisch – eine Tasche ihrer selbst. Im Inneren des Pappcovers sind zwei Henkel eingeklappt, die der Leser, wenn er mit seiner Zeitschrift auf Reisen geht, ganz einfach ausklappen kann. Zwischen die Seiten könnte man dann, auf Reisen, vielleicht noch ein paar eng bedruckte Textblätter einlegen. Denn an Text, da fehlt es etwas. Das sind mehr so Platzfüller, Lektüreanregungen, Anekdoten aus der Medien- und Buchvergangenheit und blumige Hoffnungen auf eine noch buntere, verknüpftere Medienzukunft. Muss man nicht unbedingt lesen.

Aber dieses Papier! Das Geheimnis dahinter scheint sich übrigens in diesen beiden klein gedruckten Informationen zu verbergen: Einer der Träger des Projektes heißt Korbinian Kohler und ist Mitinhaber einer Büttenpapierfabrik in Gmund. Und Hauptsponsor ist die Firma Baumgartner Papiers aus Crissier. Papierexperten und Papiergeldinhaber sind die Initiatoren und Financiers dieses Projekts. Ein Scheinkampf für die neuen Medien. In Wahrheit eine Kampfansage wohl eher, auf blütemweißen Cyberbüttenblatt.

VOLKER WEIDERMANN

Erste Ausgabe für 30 Mark zu bestellen unter www.babylon17.ch.