Culture-Jamming

Der Underground-Filmer Craig Baldwin zeigt im Abaton Spectres of the Spectrum  ■ Von Volker Hummel

„The Revolution Will Not Be Televised“: Der Songtitel von Gil-Scott Heron ist vielleicht gerade deshalb so berühmt geworden, weil er zu Variationen und Neuinterpretationen einlädt. In der Überzeugung, dass revolutionäre Inhalte und Aktionen durchs Fernsehen weder angemessen repräsentiert noch rezipiert werden können, steckt auch schon eine Ahnung davon, dass man an den Medien eben doch nicht vorbeikommt: The revolution will be televisual. Wobei TV heutzutage nur noch als Leitmedium eines umfassenden Ensembles vielfältiger medialer Techniken gilt. Die Frage, wie heutzutage politische Partizipation und Aktion möglich ist, lässt sich kaum noch von medialen Reflexionen trennen.

Der Film Spectres of the Spectrum von Craig Baldwin stellt einen radikalen Versuch dar, das Funktionieren der Medien offen zu legen, ohne sich der herkömmlichen Diskursformen zu bedienen. Aus so genannter Found Footage, vorgefundenen Schnipseln aus SF-Filmen, 50er-Jahre-TV-Shows, Werbe- und Industriefilmen, News und anderem visuellen Ramsch der letzten 50 Jahre, hat Baldwin eine 90-minütige Anti-Historie der „elektromagnetischen Revolution“ geschaffen.

Spectres erzählt die Geschichte einer Telepathin und ihres Vaters, die sich im Jahre 2007 auf eine Reise in die Vergangenheit machen, um die Ursprünge einer „New Electromagnetic Order“ zu erkunden, die kurz davor ist, die Gehirne aller Menschen mit elektrischen Impulsen gleichzuschalten. Im Gewande einer Trash-Space-Opera präsentiert Baldwin in einer Mischung aus fiktiven und historischen Materialien eine Geschichte ursprünglich emanzipativer technischer Innovationen wie Telefon, Radio und Fernsehen – und ihrer Kooptierung durch Konzerne.

Interessanter als der paranoide Plot, der hier nur stark verkürzt wiedergegeben ist und etwas verschwörungstheoretisch einige brillante Individuen bösartigen, gesichtslosen Konglomeraten gegenüberstellt, ist die Machart von Spectres. Das Archivieren, Wiederauffinden und Rekontextualisieren von ganz anders intendiertem Filmmaterial wirft Licht darauf, wie überhaupt Bedeutung mit Bildern evoziert wird – und wem diese Bilder eigentlich gehören. Die durch das Internet und Napster auch öffentlichkeitswirksam gewordene Frage nach Copyright und geistigem Eigentum ist zentral für die Aktionen der „Culture Jammer“. Dahinter verbirgt sich eine vielfältige Praxis medialer Eingriffe, der Aneignung und Verfremdung kultureller Produkte. Veränderte Werbeplakate mit Totenschädeln, manipulierte Barbiepuppen, die militärische Phrasen von sich geben, oder eben die filmischen Collagen Baldwins schärfen den Blick für die ideologischen Grundlagen der Kultur, indem sie sie durch neue Kontexte direkt sichtbar machen, anstatt einen Metadiskurs zu führen.

Einen Überblick über die vielfältigen, oft sehr lustigen Eingriffe der filmbasierten „Culture Jammer“ geben die American Prank Documentaries, die Baldwin vor Spectres of the Spectrum präsentieren wird. Die Kurzfilme von Emergency Broadcast Network, (TM)Mark, Animal Charm, Bryan Boyce, Igor Vamos, Alex Rivers, Phil Patiris und dem Bureau of Inverse Technology bedienen sich in unterschiedlicher Weise der Ikonographien von Pressekonferenzen, Überwachungskameras, Infomercials und Nachrichtensendungen, um die zugrunde liegenden Ideologien aufzuzeigen. The revolution will be.

American Prank Documentaries: heute, 19.30 Uhr; Spectres of the Spectrum: 21.30 Uhr, Abaton (Craig Baldwin ist anwesend)