Mit der Vespa als Starstalker unterwegs

Die Sugababes gaben im Roten Salon der Volksbühne ein intimes Konzert für genau 148 geladene Gäste. Die ersten fünf Reihen schienen komplett aus Jungs in weißen Hemden zu bestehen, deren Style Tanzstunde, nicht Subkultur ist

„Das intimste Konzert überhaupt! Nur ihr, 148 geladene Gäste und die Sugababes! Stars zum Anfassen! Ruft an, morgen früh um sieben, und gewinnt Karten!“, so tönt seit zwei Wochen einer der Berliner Top 40 Radio Sender alle 15 Minuten. Man hat die Sugababes in den Roten Salon eingeladen und Tickets verschenkt. Die Exklusivität verfehlt allerdings ihre Wirkung. Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn denkt man vor lauter Unaufgeregtheit noch, dass in der Volksbühne mal wieder Erich Böhme angeboten wird und nicht die interessanteste Newcomer-Band des Mainstream der letzten Monate. Keine hysterischen Fans in Sicht, trotz dem lakonisch gesungenen paneuropäischen Hit „Overload“, einem Album, das von Spice Girls und All Saints Produzenten auf Hochglanz poliert wurde, und natürlich dem Video: Hypnotische Blicke von den kaum sechzehnjährigen Babes und schnelle Schnitte halfen der Heavy Rotation.

Die Stimmung bleibt wirklich familiär. Zu Beginn steht die afro-britische Begleitband schon auf der Bühne und spielt, von den Sugababes ist noch nichts zu sehen. Nur Shiobans Stimme fängt an zu singen, die Securitykerls schaffen einen Gang durchs Publikum, Keisha, Mutya und Shioban laufen auf die Bühne. Keiner der Fans drängelt, dionysische Verzückung hat auch noch niemanden ergriffen, man kuckt eher so zu, wie man seine Klassenkameraden beim Schulbandauftritt beobachtet hat: Zittern sie, vertun sie sich? Shioban beißt sich nervös auf die Lippen. Sie singen weiter „Lush Life“ und schon ist der Gedanke an Schulauftritt vorbei, die drei Freundinnen performen professionell. Ihr R’n’B und Pop-Sound knallt so glänzend wie auf der CD, kein Playback nötig.

Obwohl das Publikum zur Hälfte aus Plattenfirmenarbeitern in Anzügen besteht, die kaum mit den Hüften wackeln, gehört der Abend komplett der Identitätsinszenierung von Teenagern: Hier nehmen alle ihren Auftritt ernst, egal ob vor der Bühne oder auf ihr. So scheinen die ersten fünf Reihen komplett aus Jungs in weißen Hemden zu bestehen, die bestimmt alle Mike heißen. Ein Exklusivticket ist für sie Grund genug, sich fein zu machen; nicht Subkultur, sondern Tanzstunde ist ihr Style.

Aber der ist erfolgreich. Als einer der Mikes Keisha, Shioban und Mutya je eine aufwändigst in Glitzerfolie verpackte Rose überreicht, darf er sich prompt beim nächsten Lied auf einen der Barhocker auf der Bühne setzen. Die Babes umtanzen ihn wie junge Musen: Mit sexy-unschuldigem Hüftschwung, wie ihn nur Sechzehnjährige hinkriegen, umkreisen sie ihn, halten sein Händchen und am Ende gibt’s Küßchen, von allen dreien. Er trägt es mit Fassung, fällt weder vom Stuhl, noch grinst er sich die Mundwinkel blutig. Nur den lindgrünen Schlips zieht er auf und wankt dann mit großen Augen von der Bühne. It’s a teenage boy’s dream come true!

Nach einer Stunde Konzert, natürlich inklusive „Overload“ und der neuen Single „Run for Cover“, und einer Autogrammstunde, bis alle Fans eine Unterschrift mit gemaltem Herz haben, verlassen die Mädchen das Gebäude, ohne einen schreienden Fan zu hinterlassen. Rein in den Chrysler Voyager, das Familienauto passt, wo sie doch schon vor dem Plattenvertrag Freundinnen waren. Ich folge ihnen auf meiner Vespa, Alexanderplatz, Leipziger Straße, Gendarmenmarkt, bis vor die Glastüren vom Hilton. Bei dieser Starstalking-Aktion komme ich mir ein wenig nutzlos vor, außer mir scheint sich keiner für das Auto mit den getönten Scheiben zu interessieren und auch vor dem Hotel wartet nur der Liftboy. Ungerechtigkeit! Die Sugababes hätten mehr Wirbel verdient. Wenigstens erhasche ich noch einen Blick, Shioban, Mutya und Keisha haben ihre Rosen noch in der Hand. Wenn Mike das wüsste ... DANIEL BOESE