„Ja, warum nicht Afro“

Der senegalesische Philosophieprofessor Souleymane Bachir Diagne sieht die Einführung des Euro als Chance für den afrikanischen Kontinent, Schritte zur eigenen Einheitswährung zu unternehmen

Interview VOLKER WEIDERMANN

taz: Herr Diagne, der Euro kommt, der Franc geht. Was ändert sich am 1. 1. 2002 für die Währungen der 15 CFA-Franc-Länder wie Senegal, deren Geldpolitik mehr als vierzig Jahre direkt von Frankreich aus gesteuert wurde?

Souleymane Bachir Diagne: Es ändert sich gar nichts. Die Währungsumstellung wird uns leider überhaupt nicht berühren. Die Hoheit über unsere Geldpolitik liegt weiterhin beim französischen Finanzministerium und nicht bei der Europäischen Zentralbank.

Wie lange soll das so bleiben?

Ich denke nicht, dass dieses System noch eine Zukunft hat. Die CFA-Franc-Zone, zu der außer Guinea-Bissau nur ehemalige französische Kolonien gehören, ist ein überkommenes, weil postkoloniales System.

Aber der Abschied von einer Währung fällt in der Regel schwer.

Das wäre im Senegal anders. Seit 1994, als die französische Regierung handstreichartig eine Abwertung des CFA-Franc um 50 Prozent verfügte, fehlt den Menschen das Vertrauen in die Währung. Das Gefühl, dass über die eigene Landeswährung im französischen Finanzministerium entschieden wird, und dass jederzeit wieder radikal abgewertet werden könnte, hinterlässt ein Gefühl der Unsicherheit bei den Menschen.

Was ist die Alternative?

Wir wollen eine Währung, die in das Euro-System integriert ist. Die postkoloniale Abhängigkeit von Frankreich muss aufhören. Sie wird übrigens, so denke ich, spätestens in zwei Jahren ohnehin enden, wenn Länder wie Nigeria und Ghana in die gemeinsame Währungszone drängen. Sie werden sich mit einer überkommenen Bindung an den Franc, eine verschwundene Währung, nicht einverstanden erklären.

Aber würde eine Bindung an den Euro nicht eine neue Abhängigkeit manifestieren?

Ja, sicher. Aber an die totale Unabhängigkeit, die Möglichkeiten einer Abkopplung von den Weltmärkten, glaubt in Afrika eigentlich niemand mehr. Es erscheint den Menschen auch nicht wünschenswert. Der ganze Gedanke der Unabhängigkeit ist, auch wenn eine Ankopplung an den Euro nicht stattfände, doch nur noch eine Fiktion. Wir müssen die Vorteile des Marktes erkennen und die Möglichkeiten einer modernen, fortschrittlichen Währungsmacht für uns nutzen.

Sie plädieren für den CFA-Euro?

Nein, wir brauchen einen neuen Namen für die neue Währung.

Afro zum Beispiel?

Ja, warum nicht Afro. Dieser Name würde auch den Einheitsgedanken in sich tragen. Die Menschen in Afrika sprechen kaum noch von den verschiedenen sechs Afrikas, die getrennt nebeneinander existieren, sie sprechen viel öfter von einem vereinten Afrika und dafür könnte der Afro ein Symbol sein. Es ist zwar im Moment noch illusorisch, von einer einzigen Währung für den ganzen Kontinent zu sprechen. Aber ein lohnendes Projekt ist das allemal.

Kann eine Währung tatsächlich Einheitsgedanken, Einheitsgefühle stärken?

Nein, Sie haben Recht. Eine Währung allein sicher nicht. Eine Währung ist nur eine Art Vertrag zwischen Menschen, eine Geschäftsbeziehung. Klar, man kann, in der CFA-Zone etwa, ohne Wechselstuben reisen, und das vermittelt einem den Eindruck eines offenen Raumes. Aber es gibt mir nicht das Gefühl für Menschen, Orte, Plätze, die ich kenne, die ich brauche. Eine Währung kann an einem Gefühl der Fremdheit nichts ändern. Eine Währung schafft auch keine gemeinsame Identität, wie man das in Europa manchmal hört.

Eine gemeinsame Währung kann nur ein Instrument sein, ein Hilfsmittel. Man kann sich zum Beispiel auch sehr gut eine Dollarzone vorstellen, die die unterschiedlichsten Länder in den unterschiedlichsten Assoziationsformen vereint. Ohne Gemeinschaftsgefühl. Auch in der CFA-Zone verlief die Verbindung eigentlich nur vertikal zwischen den einzelnen Mitgliedsländern und Frankreich. Horizontal, zwischen den afrikanischen Ländern, hat es kaum für starke Bindungen gesorgt.

Was schafft gemeinsame Identitäten, wenn eine Währung allein nicht ausreicht?

Zuallererst: Demokratie und Staatsbürgerschaft. Das sind die ultimativen Bedingungen für heutige Gemeinschaften. Die deutsche Idee, eine supranationale, europäische Regierung zu schaffen, ist der einzige Weg, den Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft zu geben. Der Hauptparameter ist kein wirtschaftlicher. Menschen identifizieren sich mit Institutionen. Vor allem, wenn sie das Gefühl haben, dass sie sie selber geschaffen, selber darüber mitbestimmt haben.

Sollte ein Afro durch ein Referendum abgesegnet werden?

Auf jeden Fall. Der beste Weg zu einer Identifizierung des Volkes mit seiner Währung ist ein Referendum.

Die Werte, die Deutsche mit der D-Mark verbinden, sind, laut einer Umfrage: Freiheit, Demokratie, Gemeinschaft, Leistung, Solidarität. Welche Werte verbindet man im Senegal mit dem CFA-Franc?

Die Gemeinschaftswährung vermittelte lange Jahre ein Gefühl von Macht. Klar heißt Macht in einem unterentwickelten Land etwas anderes als in Deutschland. Aber die Tatsache, dass die Währung uneingeschränkt konvertibel war, war immer sehr wichtig für uns. Also: Macht, Sicherheit, Stabilität. Aber nach der Abwertung von 1994 auch: Abhängigkeit.

Was würde die neue Währung ändern?

Sie könnte ein neues Selbstbewusstsein schaffen. Der Anstoß zur letzten Währungsverbindung kam von außen und erschien uns auch eher zufällig. Niemand fragte die Mitgliedsländer, wie sie miteinander verbunden sein wollen. Und jetzt gibt es die Chance, diesen Gründungsprozess quasi nachzuholen und zu einer neuen, selbstbestimmten Partnerschaft mit der Europäischen Union zu kommen. Als Partner und nicht in postkolonialer Abhängigkeit. Das ist die große Chance, die uns der Euro bietet.