Vom Reiz alternder Männer

■ Wiedergänger des Popgeschäfts: Lloyd Cole & The Negatives im Logo

Fast schien es, als wäre er nie weg gewesen. Anlässlich der Präsentation des neuen Albums vor einigen Monaten in der Prinzenbar, präsentierte sich Lloyd Cole der leicht angejahrten Medienmeute als Wiedergänger seiner selbst. Einzig das Gesicht hatte mittlerweile jene charismatische Kantigkeit gewonnen, die einige Frauen davon schwärmen lässt, dass gutaussehende Männer mit steigendem Alter an Reiz gewinnen. Danach sieht der 40-jährige Lloyd Cole schon heute ziemlich alt aus.

Mit The Negatives, dem aktuellen Album seiner gleichnamigen neuen Band, taucht Cole für viele aus einer Art medialen Versenkung auf. Lange hatte man nichts mehr von ihm gehört, lange wollte man nichts von ihm hören. Das Popgeschäft kann grausam sein – ganz besonders zu denen, die wie Cole zu früh zu gut waren.

Schließlich ist er immerhin auch schon fast zwanzig Jahre dabei. 1982 rief der Engländer seine Commotions ins Leben. Zu einer Zeit also, da Pop sich wieder selbst zitierte, Soul nicht nur schwarz und Hedonismus neu war, schwebte auch Cole die Idee einer Soulband vor. Und als die Verkäuferin hinter der Pop-Theke zu ihrem obligaten „Darf's ein bisschen mehr sein?“ ansetzte, sagte Cole nicht nein.

Zwei Jahre später gelang mit dem Debüt der große Wurf. Rattlesnakes gilt bis heute als das perfekte Lloyd Cole-Album. Eine Tatsache, die wohl niemand ernsthaft in Frage stellen wird, am wenigsten Cole selbst. Rattlesnakes brillierte auf zweierlei Art. Nicht nur, dass es für damalige Verhältnisse unverschämt amerikanisch klang – Lloyd Cole gab sich als Bob Dylan- und Byrds-Fan zu erkennen, nein, es stellte auch dem damaligen, durchschnittlichen The-Smiths-Hörer einen romantischen Lebensentwurf entgegen, der sich nicht nur auf Litaneien erstreckte, sondern echte Helden parat hielt. Und vor allem Heldinnen.

Unmögliche, jenseitige, unerreichbare Wesen waren das. Frauen, die aussahen wie Eve Marie Saint und dabei Simone de Beauvoir lasen; Mädchen mit „Perfect Skin“, die dabei wussten, dass das allein nicht immer reicht: „A girl needs a gun these days...“ hieß das dann

Danach folgte Easy Pieces, ein Album mit ein paar Stücken, die Rattlesnakes vielleicht zum besten Album aller Zeiten gemacht hätten – dann nur noch Platten, an die sich heute niemand mehr erinnern mag. Auch die anschließende Solokariere in den Neunzigern verlief eher durchwachsen. Mit den Negatives kehrt Cole jetzt nicht nur zu alten Themen zurück – ein Song heißt tatsächlich „Impossible Girl“ –, er hat nun auch eine Band, die jung genug scheint, sich an den alten Cole nicht mehr zu erinnern. So bleibt zu hoffen, dass eines Tages auf die obligate Frage nach den alten Songs nur eine Antworte möglich bleibt: „Welche?“

Michael Hess

 mit Jill Sobule: Donnerstag, 21 Uhr, Logo