„Estrada sollte im Hospital bleiben“

Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat nichts dagegen, wenn ihr wegen Korruption verhafteter Vorgänger Estrada nur unter Hausarrest gestellt wird. Sie drängt auch nicht auf Verfahren gegen Politiker, denen sie Rebellion vorwirft

Interview HUGH WILLIAMSON

taz: Warum haben Sie am Samstag den verhafteten Expräsidenten Joseph Estrada im Militärkrankenhaus besucht?

Gloria Macapagal Arroyo: Ich hörte, dass er Depressionen hat, was wohl daran liegt, dass er wieder ins Gefängnis muss. Ich sagte ihm, wir versuchen beim Antikorruptionsgericht zu erreichen, dass er im Krankenhaus bleiben kann.

War Hausarrest ein Thema?

Er sprach es an. Ich sagte ihm, die Ärzte wollten attestieren, dass es für seine Gesundheit besser ist, wenn er im Hospital bliebe und dass wir es ihm dort komfortabel einrichten könnten. Er sagte, das wäre nicht nötig, wenn er Hausarrest bekäme. Das möchte er. Ich bin nicht dagegen, aber das Gericht entscheidet.

Sie kamen vor vier Monaten durch massive Proteste an die Macht. Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Ihre unkonventionelle Machtübernahme die Massenproteste der Opposition und deren Angriff auf den Präsidentenpalast am 1. Mai ermunterte?

Ursache für die jüngsten Proteste ist das langjährige Problem der Armut der Hälfte der städtischen Bevölkerung. Deren Frustration hilft denjenigen, die selbst nach der Macht greifen. Das Problem ist nicht meine Art der Machtübernahme, sondern vielmehr, dass es eine politisch manipulierbare Masse Armer gibt.

Hat Sie das Ausmaß der Proteste nach Estradas Verhaftung überrascht?

Anfänglich ja, aber als ich sah, wie sie manipuliert wurden, war ich nicht mehr überrascht.

War es ein Fehler, Estradas Fotos aus der Verbrecherkartei zu veröffentlichen?

Die Fotos wurden von einem geschäftstüchtigen Polizisten an die Medien verkauft. Wir hatten darauf geachtet, dass während der Verhaftungsprozedur keine Bilder von Estrada gemacht wurden. Ich hätte es auch besser gefunden, wenn das Gericht Estrada erst nach den Parlamentswahlen hätte verhaften lassen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der großen Beteiligung der Armen an der Revolte am 1. Mai?

Eine große kulturelle Kluft wurde sichtbar, als ob es zwei Arten von Philippinern gäbe: Arm und Reich. Man kann nicht mehr sagen, etwas ist im Sinne der Öffentlichkeit, sondern muss hinzufügen, ob es im Sinne der Armen oder der Reichen ist. Die Kluft muss geschlossen werden.

Suchen Sie Nähe zu den Armen?

Ja, die hatte ich aber vor Estradas politischer Krise schon. Ich war sechs Jahre lang als Senatorin und Vizepräsidentin sehr populär, was nicht ohne Nähe zu den Armen möglich war. Die von Estrada verursachte Krise polarisierte, und da stand ich auf Seiten der Zivilgesellschaft, die eher als Mittel- denn als Unterschicht gesehen wird.

Wie wollen Sie Ihr Verhältnis zu den Armen verbessern?

Ich will sie persönlich erreichen, sie besuchen und sie fragen, was getan werden soll. Ich will die unorganisierten Massen erreichen und nicht nur die zehn Prozent, die organisiert sind.

Wie wollen Sie die Armut reduzieren?

Erstens müssen wir unseren Plaz in der Ökonomie des 21. Jahrhunderts finden. Um die Kapitalflüsse zu nutzen, brauchen wir freie Unternehmen, Transparenz und klare Regeln. Zweitens brauchen wir ein Sicherheitsnetz für Sektoren, die von der Globalisierung negativ betroffen sind. Wir müssen die Programme für die städtischen Armen stärken und brauchen hier schnell Resultate. Drittens müssen wir die ländliche Armut bekämpfen durch Modernisierung der Landwirtschaft auf der Basis sozialer Gerechtigkeit. Innerhalb von zehn Jahren müssen wir unser Versprechen einer Landreform einlösen. Und viertens müssen wir den moralischen Standard in Regierung und Gesellschaft erhöhen.

Die vorliegenden Wahlergebnisse sehen Ihre „People Power“-Koalition nur bei 8 der 13 Senatssitze. Das ist nicht der erhoffte überzeugende Sieg.

Zu Beginn des Wahlkampfs im Februar sah es nach sechs Sitzen für uns und sieben für die Opposition aus, zwei Wochen später wurde es acht zu fünf, und so blieb es. Da Senatoren sehr unabhängig sind, muss letztlich ohnehin jeder Einzelne immer wieder überzeugt werden.

Einige der Oppositionskandidaten, denen Sie im Zusammenhang mit den Unruhen Rebellion vorwerfen, werden wohl Senatssitze gewinnen. Werden Sie weiter gerichtlich gegen diese Politiker vorgehen?

Wir warten die Ergebnisse ab.

Ihr Justizminister hat juristische Schritte angekündigt, unabhängig vom Wahlausgang.

Wenn der Justizminister starke Argumente hat, sollten wir uns diese ansehen.

Ihr Regierungsbündnis wirft der Opposition vor, die Stimmenauszählung zu fälschen.

In der Vergangenheit wurde deutlich, wie anfällig das System für Betrug ist, für den einige Politiker bekannt sind. Wir müssen das System reformieren.

Die Opposition wirft Ihrem Bündnis auch Betrug vor.

Das bisherige Ergebnis entspricht den Umfragen. Das zeigt, wir betrügen nicht.