Der 1. Mai kommt vor Gericht

Ein Rechtsanwalt will vor Gericht feststellen lassen, dass der Polizeieinsatz am 1. Mai auf dem Mariannenplatz rechtswidrig war. Im kommenden Jahr will der Anwalt der Polizei vorab verbieten lassen, erneut ein genehmigtes Straßenfest zu stürmen

von HOLGER KLEMM

Es wird noch lange keine Ruhe einkehren um den Polizeieinsatz vom 1. Mai gegen Besucher des genehmigten und friedlichen Straßenfestes am Mariannenplatz. Das Anwaltsbüro Sommer & Kremer hat am Montag Klage gegen das Land Berlin, vertreten durch Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky, eingereicht.

Rechtsanwalt Peter Kremer tritt in eigener Sache an. Er war – wie die anderen Besucher des genehmigten Straßenfestes auch – ohne Vorankündigung gewalttätig vertriebenen worden. In der Begründung der Feststellungsklage schreibt Kremer, dass „das beklagte Land“ nicht berechtigt gewesen sei, ihn „unter Einsatz massiver Polizeikräfte und Wasserwerfer zu vertreiben.“

Die neunseitige Klage endet mit dem Resümee: „Für das massive Einschreiten der Polizei am 1. Mai 2001 auf dem Mariannenplatz gibt es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Rechtfertigung. Sowohl nach dem Versammlungsrecht als auch nach dem allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrecht war die Maßnahme rechtswidrig.“ Tatbestand sei, dass die Polizei ohne jeden Grund, ohne erkennbares Ziel und ohne jede Ankündigung den Platz gestürmt, Menschen verletzt und Sachen beschädigt habe.

In der Klageschrift werden der Polizei zwei Fehler vorgeworfen. Die Auflösung des Straßenfestes sei von der Polizei nicht bekannt gegeben worden. Dies sei aber verwaltungsrechtlich vorgeschrieben. Zudem wurde eine Gruppe möglicherweise gewaltbereiter Demonstranten in die friedliche Menge des Straßenfestes hineingetrieben, woraufhin Einsatzkräfte das Fest stürmten und eine Eskalation förderten.

Sollte die Klage erfolgreich sein – und selten findet Kremer nach eigenen Angaben so deutliche Indizien dafür wie in diesem Fall –, dann hätte sie weit reichende Folgen. Andere durch Freiheitsberaubung, körperlich oder materiell Geschädigte könnten sich auf die per Gericht festzustellende Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes berufen und Schadensersatz geltend machen. Dazu kommt: Sollte die Ausgangslage im kommenden Jahr die gleiche sein, will Kremer „vorbeugenden Rechtsschutz“ beantragen. Damit würde vorab richterlich untersagt, ein genehmigtes Straßenfest stürmen zu lassen. Die Behandlung der Klage kann sich nach Kremers Einschätzung über drei Jahre hinziehen.

Den Veranstaltern des Straßenfestes, den Bezirksfraktionen von PDS und Bündnis 90/Die Grünen, sind gegenwärtig keine Privatklagen von Standbetreibern gegen den Senat bekannt. Die Fraktionen der Parteien bemühen sich vor einer rechtlichen um eine politische Klärung. In der heutigen Sitzung der Bezirkverordnetenversammlung (BVV) steht der Polizeieinsatz am Mariannenplatz im Mittelpunkt. Eine von Grünen und PDS vorgelegte Resolution stellt viele Schäden in Zusammenhang mit dem Einsatz der Polizei. Wasserwerfer hätten unter anderem die Drainage des Platzes zerstört. Ein gemeinsamer Antrag sieht vor, die Kosten der Schadenswiedergutmachung vom Senat einzufordern, da die Polizeitaktik „eindeutig darauf gerichtet war, dem Mariannenplatz und seiner unmittelbaren Umgebung erheblichen Schaden zuzufügen“. Auch die CDU wartet mit einer großen Anfrage auf. Sie interessiert allerdings vor allem die Höhe der „Gesamtschäden durch die linksextremistischen Gewaltexzesse“.

Die BVV Friedrichshain-Kreuzberg tagt heute öffentlich ab 17.30 Uhr in der Yorckstr. 4–11