Biobratwurst als Kantinenessen

NRW-Kampagne „Natur auf dem Teller“: Auch Großküchen bieten Ökokost an. Nachfrage und Angebot steigen

STUTTGART taz ■ Naturkost im Krankenhaus? Ökomenü in der Schulkantine? Oder Biobratwurst am Werksimbiss? Kein Problem. Und längst Realität. Allein in Nordrhein-Westfalen haben im letzten Jahr 20 Großbetriebe Ökoprodukte auf ihre tägliche Speisekarte gesetzt. Eine Schule, eine Uni-Mensa, eine Autobahnraststätte, sieben Krankenhäuser und zehn Betriebskantinen beteiligten sich an der Kampagne „Natur auf dem Teller“, die Großküchen die dauerhafte Verwendung von Öko-Kost schmackhaft machen soll.

Insgesamt sollen 100 Unternehmen bei der Kampagne mitmachen. „Wir sind zuversichtlich, dass das klappt,“ meint Anja Erhart vom Ökologischen Großküchenservice aus Frankfurt, der die Kampagne geleitet hat. „Die Nachfrage ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.“ Der Service berät seit 1996 bundesweit ökologisch interessierte Großverbraucher, stellt den Kontakt zum nächsten Ökoanbieter her und erklärt dem Koch notfalls, dass der beliebte Maggiwürfel in der Ökosuppe nichts zu suchen hat. „Wir empfehlen die schrittweise Einführung von Biogerichten in Kantinen“, so Erhart. Oft muss dabei der normale Küchenbetrieb kaum umgekrempelt werden. Aus der Currywurst mit Pommes kann problemlos die Ökobratwurst mit Ökofritten werden. Was gegessen wird, entscheidet schließlich der Gast.

Beschaffungsprobleme gibt es in der Regel nicht. „Ökoanbieter haben sich auf die Bedürfnisse von Großverbauchern spezialisiert“, sagt Erhart. Ob geschälte Kartoffeln, geraspelte Karotten oder gewaschener und geschnittener Salat – das Ökogemüse wird vorverarbeitet angeliefert. Tiefkühlpizza, Bratlinge oder Kartoffelpüreepulver – auch im Convenience-Bereich hat sich die Palette der Ökoprodukte rasend schnell der steigenden Nachfrage angepasst. Ein Widerspruch zu ökologischen Prinzipien? „Meiner Meinung nach nicht“, sagt Anja Erhart. „Entscheidend ist, dass alle Zutaten aus ökologischer Produktion stammen.“ Allerdings gibt es „bei der Verarbeitung der Ökoprodukte zum Teil andere Kriterien als im konventionellen Bereich“, räumt Erhart ein. So etwa bei der Haltbarkeit: Ökogemüse darf im Gegensatz zu Kartoffeln und Kraut aus konventionellem Anbau kein Schwefel zugesetzt werden, zur Konservierung sind einzig Zitronensäure und die luftdichte Verpackung erlaubt. „Wir empfehlen regionale Produkte“, so Erhart, „doch die gibt es leider nicht immer.“

Und der Preis? In der Regel liegen die Kosten für Biogemüse um 30 bis 50 Prozent und für Biofleisch um etwa 50 bis 70 Prozent höher als im konventionellen Bereich. „Wir versuchen die erhöhten Preise durch eine Mischkalkulation aufzufangen“, erklärt Walter Pielmeier, Leiter des Betriebsrestaurants bei „Dupont“ in Wuppertal, einem der Unternehmen, die bei der Großküchenkampagne in Nordrhein-Westfalen mitmachten. Wie kommt es, dass ausgerechnet ein Chemiekonzern, der unter anderem wegen der Produktion Ozon killender Substanzen in die Kritik geriet, betriebsintern zum Ökovorbild werden will? „Ein fairer Umgang mit der Natur gehört für uns zur Unternehmensphilosophie“, sagt Pielmeier. In der Wuppertaler Dupontkantine speisen die über 1.000 Tischgäste seit letztem Jahr auch Biogerichte – und trinken fair gehandelten Kaffee. „Rund 25 Prozent unserer Fleischprodukte und zehn Prozent des Gemüses stammen aus ökologischer Produktion“, so Pielmeier. In der Praxis sei im Umgang mit den Biowaren allerdings auch schon mal mehr Organisationstalent gefragt. „Die Ware ist nicht kalibriert“, erklärt Pielmeier eines der Probleme beim Kochen für hunderte von Menschen. Auf deutsch: Eine Biopaprikaschote ist nicht so groß wie die andere – ein Problem, das spätestens an der Essensausgabe deutlich wird.

Einen anderen Umgang erfordert auch die geringere Haltbarkeit. Wenn sich die Scheibe Ökowurst auf dem Brötchen nach einer halben Stunde in unappetlitlichem Grau präsentiert, will das niemand mehr essen. Konsequenz: Bei der Dupont-Kantine werden nicht mehr wie früher um 7 Uhr morgens alle Frühstücksbrötchen auf einmal geschmiert – sie werden jetzt in zwei Schichten mit frischer Biowurst belegt. DANIELE WEBER