Die mit dem Kleinpreis leben

■ Zahl der überschuldeten Haushalte auf 26.000 gestiegen / Vor allem Paare mit Kindern und alleinerziehende Mütter betroffen

Ob eine alleinerziehende Mutter die Versandhausjacke für ihr Kind nicht bezahlen kann oder ob einem arbeitslos gewordenen Mittelständler die Raten seiner Eigentumswohnung zu hoch werden: beiden droht die Überschuldung. Als überschuldet gilt, wer „langfristig seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann“, erläutert Ulf Groth vom Förderverein Schuldenberatung. Am gestrigen „Tag der Überschuldeten“ stellte der Förderverein die aktuellen Daten für Bremen vor. Danach ist die Zahl der überschuldeten Haushalte im Land Bremen seit März 1998 von 23.000 auf 26.000 gestiegen.

Auch im Vergleich steht Bremen nicht gut da: Während die Zahl der überschuldeten Haushalte in Westdeutschland auf 6,2 Prozent leicht zurückgegangen ist, ist sie hierzulande auf rund 8 Prozent gestiegen. Als Hauptgründe nennt Groth die große Zahl von Sozialhilfeempfängern und die herrschende Langzeitarbeitslosigkeit. Im West-Ost-Vergleich befürchtet Groth eine „Veröstlichung“ Bremens: Im Osten liegt die Rate bei 12 Prozent.

Viele verschuldete Menschen brauchen auch viele Berater. Dafür hat Bremen jedoch kein Geld, denn es „kann ja selbst bei einer Schuldnerberatung anklopfen“, witzelt Groth. Dabei ist ihm das Lachen längst vergangen. Der Dachverband der bremischen Schuldnerberatungen muss selbst demnächst mit Kürzungen von 200.000 Mark auf 100.000 Mark leben. Ein Ausweg könnte sein, dass bislang öffentlich finanzierte Beratungen von der Wirtschaft unterstützt werden. Der Pleitier von heute könne doch ein zahlungsfähiger Kunde von morgen sein, argumentiert Groth.

Neben ihrem eigenen Überleben haben die Schuldnerberatungen noch andere Sorgen. Will ein überschuldeter Mensch einen Insolvenz-antrag stellen, muss er, so Groth, vor Verfahrensbeginn 2.400 Mark auf den Tisch legen, um die entstehenden Kosten zu decken. Merkwürdig, dass ein zahlungsunfähiger Mensch so eine Summe aufbringen soll, wo er doch pleite ist. Prozesskostenhilfe wird in Bremen nicht gewährt. Laut Rechtspflegerin Katharina Naujoks ist allerdings eine Änderung der Insolvenzordnung in Sicht. Dann sollen absolut Mittellosen die Kosten gestundet werden.

Ein bundesweites Problem sind die Pfändungsfreibeträge. Derzeit darf alles, was über der 1.200 Mark-Grenze liegt, gepfändet werden. Die Freibeträge sind seit 1992 nicht mehr an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst worden. Immerhin ist ein Gesetzentwurf in Arbeit. Und dann gibt es da noch die Selbstständigen, die sich mit einer Kapitallebensversicherung eine Altersvorsorge schaffen. Geht ein Selbstständiger Pleite, verliert er seine „Rente“, denn die ist vor Pfändungen nicht geschützt. So wird er im Alter zum Sozialhilfe-Fall. Und das, wo die Bundesregierung für mehr private Altersvorsorge wirbt. ube