Listener’s Digest

Großstadt, Moderne, HipHop, Jazz – auf der Suche nach dem perfekten Beat ist alles da und alles stilsicher gebändigt: DJ Krush legt heute im Maria am Ostbahnhof auf

DJ Krush vorzuwerfen, ein konservatives Alterswerk produziert zu haben, wäre verfehlt: Schließlich stand er noch nie für Experimente, sondern immer für geschmackssichere State-of-the-Art-Produktionen. Sein Debütalbum von 1994 war richtungweisend in Sachen Produzenten-Autoren-HipHop, folgerichtig fand er sein Zuhause bei James Lavelles Label Mo’Wax, für das er noch im selben Jahr – und eine halbe Ewigkeit, bevor der DJ als musikalischer Avantgardist im nahezu klassischen Sinne ins Zentrum rückte – den Nachfolger „Strictly Turntablized“ aufnahm, eine Platte, für Walkman und Café gleichermaßen geeignet.

Krush spürt musikalische Entwicklungen auf, fasst sie zusammen, versieht sie mit etwas Distinktionsmaterial und gießt alles in eine monumentartige Form. Moderne Klassiker. Nichts ist zu viel oder zu wenig, nichts ist ordinär oder zielt auf den Effekt ab. Und nichts tut weh. Es ist wie bei einem guten Koch: Die Gewürze werden so benutzt, dass Ausgewogenheit entsteht, als Folie für den gezielten Akzent.

Es geht um Harmonie. Krush ist der große Integrator, der B-Boy als Dirigent: Großstadt, Moderne, Technologie, HipHop, Jazz – es ist alles da, aber es ist gebändigt. Er ist nicht der Mann für Exzesse; je mehr stilistische Partikularität um ihn herum, desto eindringlicher sucht er nach dem perfekten Beat. In seinen technisch ausgereiften DJ-Sets klingt selbst das radikalste HipHop-Instrumental nach meditativer Versunkenheit. Das will zeitlos sein und Extreme ausbalancieren, und auf dem neuen Album heißt das „Zen“.

Und irgendwie war das ja schon immer der Gedanke. Schritt für Schritt der Erleuchtung näher kommen. Die Beats klingen eigentlich wie immer, und sie klingen gut. Warme, fernöstlich anmutende Glockenspiele ziehen sich leitmotivisch durch das Album. Black Thought von den Roots, einer der handverlesenen Gäste, nennt Krush den turntable tacticion und hat Recht damit, Zap Mama besingen einen rainy day, lovely day, alles ist wahnsinnig programmatisch. Dann plötzlich, in Titel 5 und 6: Noise! Company Flow! Dissonanz! Und gleich darauf senkt sich wieder das Tuch des Ganzheitlichen über alles und glättet die Wogen. Sturmgeräusche und eine Spieluhr. Die Welt: Schlachtfelder und der Gesang von Vögeln. Whut’z Da Solution? Ein neues Jahrhundert: Innehalten, zurückschauen, wahrnehmen. And the beat goes on. Ommhh ...

KARSTEN KREDEL

DJ Krush, DJ Hide heute Abend, 21 Uhr, Maria am Ostbahnhof