press-schlag
: Die Bundesliga im Fernsehen 2001/02

Leo Kirchs letzter Kampf

1. Spieltag: Mit großen Erwartungen startet „ran“ am Samstag um 20.15 Uhr. Jauch & Gottschalk sind noch im Urlaub. Quotensieger des Abends wird deshalb N3 mit der Wiederholung von „Einer wird gewinnen“.

2. Spieltag: Die Kirch-Gruppe finanziert einen Pilotenstreik, damit Jauch und Gottschalk nicht pünktlich aus dem Urlaub kommen.

3. Spieltag: Immerhin 110.000 Zuschauer wollen auf Sat.1 Claudio Pizzaros erstes Tor für die Bayern sehen. (Zum Vergleich: Auf Phoenix begeistert ein Dia-Vortrag Hans Eichels über „Meine Heimat – die Kasseler Berge“ ca. 1,3 Millionen Fans – und das trotz eines Bildausfalls von 45 Minuten.)

4. Spieltag: Das erste Gewinnspiel. Beide Anrufer gewinnen ein Haus auf Mallorca. Für die Yacht ruft keiner an.

5. Spieltag: Jörg Wontorra wird gefeuert. Neuer Anchorman wird Dieter-Thomas Heck.

6. Spieltag: „ran“ sendet erstmals drei Stunden lang und verzichtet weitgehend auf Fußball. Trotz eines gemeinsamen Auftritts von Michael Jackson und Madonna landet Sat.1 in der Zuschauergunst knapp hinter 3Sat mit einer „Minna-von-Barnhelm“-Inszenierung von 1961.

7. Spieltag: Wontorra ist wieder da. Seine Anmoderation „Zuschauer, bitte melde dich!“ verhallt indes ungehört.

8.-10. Spieltag: Leo Kirch wünscht ein „Moratorium“ und lässt die Winterpause auf Mitte September vorziehen.

11. Spieltag: Jürgen Klinsmanns von Kirch finanziertes Comeback (6 Millionen Mark pro Spiel) lockt 20.000 weibliche Zuschauer mehr vor die Bildschirme. Beim ersten Ballannahmeversuch wählen die männlichen Zuschauer ihn zum „Galopper des Jahres“.

12. Spieltag: Premiere sendet nur noch als Aufzeichnung (ab Mitternacht alle Spiele in voller Länge nacheinander), um die ran“-Quote zu stützen.

13. Spieltag: Wontorra wird zum zweiten Mal während der Saison entlassen. Durch die Sendung führt jetzt Verona Feldbusch (eine Million Mark pro Sendung, also pro Zuschauer 1.000 Mark).

14. Spieltag: Verona Feldbusch erhält drei Millionen Mark extra und zieht sich während der Anmoderation zum Spiel Wolfsburg gegen Stuttgart komplett aus. So rettet sie eine zeitweilige Quote von 0,5 Prozent.

15. Spieltag: Sat.1 kauft die ARD für eine Mark, um das „Familienunterhaltungskonzept ran“ mit der „Sendung mit der Maus“ verschmelzen zu können.

16. Spieltag: „ran“ dauert jetzt von 20.48 bis 21.30 Uhr. Ernst Huberty wird für zwei Millionen Mark pro Sendung reanimiert und verpflichtet.

17. Spieltag: Der neue Spielplan – täglich ein Abendspiel live, zwei Spiele werden gestrichen – kommt nicht gut an.

18. Spieltag: Einstweilige Verfügung der Kirch-Gruppe gegen alle Radiostationen. Die „Tagesschau „ und „heute“ vermelden Quotenrekorde.

19. Spieltag: Einstweilige Verfügung der Kirch-Gruppe gegen ARD und ZDF. Der Radioverkauf in Deutschland explodiert.

20. Spieltag: „ran“ wird abgesetzt. Fußball gibt’s nur noch auf Premiere.

21. Spieltag: Premiere gibt auf. „ran“ ist wieder da.

22. Spieltag: „ran“ sendet.

23. Spieltag: „ran“ sendet.

24. Spieltag: Ein Zuschauer entdeckt beim Zappen zufällig, dass „ran“ wieder da ist. Er alarmiert dpa. Große Sensation.

25. Spieltag: Notverkauf aller Bayern-Spiele an RTL. „Anpfiff extra“ verzeichnet Fünfjahres-Quotenhoch.

26. Spieltag: Leo Kirch stellt endgültig alle Zahlungen ein.

27. Spieltag: Ein nationaler „runder Tisch“ unter Leitung von Gerhard Schröder ergibt folgende Ergebnisse: Leverkusen - Bayern 0:0, Schalke - Freiburg 1:1. Der Rest ist bereits pleite.

28. Spieltag: Als letzter Werbetreibender zieht der Rheinische Merkur/Christ und Welt seine Werbespots (2.50 Mark pro Minute) aus „ran“ zurück.

29. Spieltag: Sat.1 ist pleite.

30. Spieltag: Pro 7 ist pleite. Und Kabel 1 auch.

31. Spieltag: Leo Kirch flüchtet vor den Gläubigern und geht ins Exil.

32. Spieltag: Die „Kinowelt“ kauft die Bundesliga für eine Mark.

33. Spieltag: Bayern München wechselt in die italienische Liga.

34. Spieltag: Die Meisterschale muss eingeschmolzen werden, um den Notar zu bezahlen, der die Auflösung der Bundesliga bestätigt.

OLIVER THOMAS DOMZALSKI