Komposition für Improvisatoren

■ Klanginstallation und Aktionspartitur: Das „TonArt Ensemble“ im Planetarium

Ein oder zwei Mal im Jahr treffen sich die Musiker des Hamburger TonArt Ensemble, um gemeinsame Projekte umzusetzen. Zu diesen Treffen haben jeweils zwei Mitglieder exklusive Stücke zu schreiben. Diesmal sind Peter Niklas Wilson und Harry Nitz an der Reihe. Für die Aufführung ihrer Kompositionen haben sie sich das Planetarium ausgesucht, dessen Programmplaner seit einiger Zeit verstärktes Interesse an verfeinerten Formen zeitgenössischer Musik zeigen.

Die Mitglieder des 1989 gegründeten Ensembles kommen aus unterschiedlichen Bereichen improvisierter und ausnotierter Musik zwischen Jazz und Avantgarde. Sie haben sich sich zusammengefunden, um die Unterschiede zwischen diesen Richtungen produktiv zu machen.

Harry Nitz, Jahrgang 1927, gehörte in den 60er Jahren als Schlagzeuger zu den frühen Vertretern der deutschen Free Jazz-Szene. Später tauschte er für längere Zeit die musikalische Bühne gegen das Atelier ein. Vor allem über seine Beschäftigung mit künstlerischer Grafik fand er in den 90er Jahren zurück zur Musik, als Multiinstrumentalist und Verfechter vergleichsweise zarter Töne. Nitz hatte während der Free Jazz-Jahre die Erfahrung gemacht, dass sich gerade in die freie Improvisation allzu leicht musikalische Klischees einschleichen. Es bedurfte gewisser Vorschriften, die dem menschlichen Hang zur naheliegendsten Lösung entgegenwirken. Nitz' Entschluss zur Reduktion von Material und Lautstärke wurde von seiner Beschäftigung mit dem amerikanischen Minimalismus angeregt. Komponisten wie Morton Feldman und John Cage arbeiteten in ihren Stücken mit Partituren, die lediglich eine Makroform absteckten; grafisch notierte „Spielanweisungen“ lieferten Eckdaten zur Improvisation. Diesem Geist der Unbestimmtheit fühlen sich Nitz und das TonArt Ensemble verpflichtet. Das Stück 45-I-LXXIII ist eine Klanginstallation für Liveelektronik und sieben Streicher. Darunter ein von Peter Niklas Wilson ins Leben gerufenes Kontrabass-Quartett, das zugleich den Kern von Wilsons Beitrag Basso Profondo bildet.

Auch Wilson teilte die Bühne schon mit verschiedenen Improvisationsgrößen und trat außerdem als Journalist, Dozent und Verfasser von Jazzmonographien in Erscheinung. Bei seinem Stück handelt es sich um ein concerto grosso für vier Gruppen: Hohe Streicher, Bläser, Perkussionisten und eben Kontrabässe werden auf unterschiedliche Stellen im Raum verteilt. Basso Profondo ist mit seiner „Aktionspartitur“ eher Konzept als Komposition. Es schließt an das komplexe Chorgeflecht aus György Ligetis Atmosphères an, das durch seine Verwendung in Stanley Kubricks Film 2001 zu einiger Berühmtheit kam. Das Konzert ist somit ein früher Beitrag zu „Welt-Raum“, dem Thema des diesjährigen Hamburger Musikfestes. Umso mehr, als zur visuellen Unterstützung – wenn man schon mal im Planetarium ist – behutsame Projektionen geplant sind. Andi Schoon

heute, 20 Uhr, Planetarium (Hindenburgstr. 1)