Therapie schon im Mutterleib

Im Stockholmer Karolinska-Institut wurde erstmals ein Fetus mit Stammzellen erfolgreich behandelt

Weltweit erstmalig hat ein Kind schon im Mutterleib eine Transplantation fetaler Stammzellen erhalten. Das berichtete der Reproduktionsmediziner Manfred Hausmann auf einem Kongress in Bonn. Der inzwischen zweijährige Julian hatte die genetische Veranlagung für einen schweren Defekt des Immunsystems: Bei der Pränataldiagnostik wurde festgestellt, dass er ebenso wie sein großer Bruder an Scid (Severe Combined Immuno-Deficiency) litt. Bei Patienten mit dieser Krankheit kann jede noch so banale Erkältung tödlich verlaufen. Nach der Diagnose entschlossen sich die Eltern zur Abtreibung. Doch Ärzte der Universitätsklinik Bonn stellten den Kontakt zum Karolinska-Institut in Stockholm her, wo kältekonservierte Blutstammzellen eines Fetus in einer Zellbank lagerten.

In Schweden fand statt, was in Deutschland nicht erlaubt ist: Die fetalen Stammzellen wurden in die freie Bauchhöhle von Julian geleitet und gelangten über die Lymphbahnen ins Blut. Einige Wochen später stand fest: Sein Körper hatte die fremden Zellen angenommen.

Weil ein Fetus noch kein ausgereiftes Immunsystem hat, kann man ihm leicht fremde Zellen übertragen, ohne dass so penibel auf gemeinsame Merkmale von Spender und Empfänger geachtet werden muss wie bei Erwachsenen. „Vor allem für Erbkrankheiten, bei denen dem Kind nur ein einziges Enzym im Immunsystem fehlt, ist von einer Transplantation im Mutterleib sehr viel zu erwarten“, meint Anthony Ho, Stammzellforscher an der Uni-Klinik Heidelberg.

Fetale Stammzellen bilden eine Zwischenstufe im Vergleich zu embryonalen und adulten Formen: Sie sind weniger wandlungsfähig als embryonale Stammzellen, aber immer noch weit mehr als die Erwachsener.

Große Hoffnungen verbinden sich auch mit blutbildenden Stammzellen, die aus Nabelschnurblut isoliert werden. Diese Zellen sind zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes zwar schon weiter entwickelt als echte fetale Stammzellen, jedoch immer noch nicht voll ausgereift. Wenn sie in einen fremden Organismus kommen, fallen dessen Abwehrreaktionen deshalb gedämpfter aus als bei Übertragungen von Zellen erwachsener Spender. Allerdings enthalten die wenigen Milliliter Blut in einer Nabelschnur nur sehr wenige der wertvollen Stammzellen, weshalb man bisher nur an Leukämie erkrankte Kleinkinder damit erfolgreich behandelt hat.

Erstmals wurden nun auch erwachsene Leukämiepatienten mit Nabelschnurblut behandelt: Ihr entartetes Knochenmark war durch eine Chemotherapie zerstört worden, aber kein passender Knochenmarkspender war zu finden. Bei 55 der 68 behandelten Patienten baute sich das blutbildende System nach der Nabelschnurtransfusion wieder auf. Vierzig Monate später waren trotzdem nur noch 19 von ihnen am Leben, denn der Wiederaufbau ging deutlich langsamer vonstatten als nach einer Knochenmarkspende – zu langsam. Deshalb versuchen Mediziner inzwischen auch die Hälfte der Stammzellen im Nabelschnurblut schon vor der Transplantation im Reagenzglas zur Vermehrung anzuregen.

EVELYN HAUENSTEIN