Gegen Massaker in der Elfenbeinküste

Opfer der Pogrome, die die Präsidentschaftswahl vom Oktober 2000 begleiteten, haben Präsident Gbagbo und seinen Vorgänger Guei in Belgien verklagt. Dieses politische Signal soll „Möchtegern-Völkermörder abschrecken“

BERLIN taz ■ Für Laurent Gbagbo, Präsident der Elfenbeinküste, brechen schwere Zeiten an. Er ist in Belgien wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden, zusammen mit seinem Innenminister Emile Boga Doudou, seinem Verteidigungsminister Moise Lida Kouassi, und seinem Amtsvorgänger Robert Guei. Es geht um die Massaker an mehreren hundert Menschen während der Wirren nach der Präsidentschaftswahl vom Oktober 2000.

Damals hatte Wahlsieger Gbagbo per Volksaufstand die Macht ergriffen, nachdem der 1999 per Putsch an die Macht gekommene General Robert Guei seine Niederlage nicht anerkennen wollte. Während des Aufstandes und des Sturzes der Militärherrschaft wurden zahlreiche Anhänger des von der Wahl ausgeschlossenen Politikers Alassane Dramane Ouattara von Gbagbo-Anhängern und Polizisten umgebracht. Offiziell starben 200 Menschen, unabhängigen Menschenrechtsgruppen zufolge über 500. Der schlimmste Einzelvorfall ereignete sich am 26. Oktober, als die Polizei in der Hauptstadt Abidjan 57 Menschen umbrachte und im Stadtteil Yopougon in ein Massengrab warf.

Der einzige Überlebende des Massakers von Yopougon, Brahima Touré, ist einer der 150 Kläger, deren mit Hilfe der belgischen Organisation Prévention Génocides (Völkermordprävention) in Brüssel formulierte Klage am Donnerstag eingereicht und am Freitag angenommen wurde. Die Klägervereinigung „Opferkollektiv der Elfenbeinküste“, die am 18. Juni gegründet wurde, leitet Mamadou Cissé, Vater eines Schuljungen, der in Yopougon starb. „Wir wollen einfach Gerechtigkeit“, sagte er. „Wir wollen wissen, was unsere Kinder getan haben, um so getötet zu werden.“

Für Prévention Génocides, eine Gruppe belgischer Sozialwissenschaftler, die über den Rassenhass in der Elfenbeinküste einen Film gedreht haben, ist die Antwort auf diese Frage klar. Seit Jahren predigen die Führer des westafrikanischen Landes eine nationalistische Ideologie namens „Ivoirité“. Sie benachteiligt die vier Millionen Einwanderer aus anderen westafrikanischen Ländern in der 16 Millionen Einwohner zählenden Elfenbeinküste. Ihnen ist seit 1998 jeglicher Grundbesitz verboten. Seit Gbagbos Amtsantritt flohen über 65.000 aus der Elfenbeinküste. Die „Ivoirité“ stigmatisiert aber auch Angehörige von grenzüberschreitenden Ethnien wie die muslimischen Dioulas im Norden der Elfenbeinküste.

Diese Haltung überdauerte den Putsch von Weihnachten 1999, als das Militär die seit der Unabhängigkeit 1960 regierende Demokratische Partei der Elfenbeinküste (PDCI) stürzte und General Robert Guei an die Macht brachte, ebenso wie den Wahlsieg der sozialistischen Ivoirischen Volksfront (FPI) des heutigen Präsidenten Gbagbo gegenüber Guei im Oktober 2000. Noch immer ist der prominenteste Dioula-Politiker, Expremierminister Alassane Dramane Ouattara, vom politischen Leben der Elfenbeinküste ausgeschlossen, weil man ihn für einen Bürger des Nachbarlandes Burkina Faso hält.

Erst als Ouattaras Partei Sammlung der Republikaner (RDR) bei den Kommunalwahlen vom 25. März 2001 stärkste Kraft wurde, milderten die Politiker der anderen Parteien ihre rassistische Rhetorik ein wenig; die Regierung kündigte Anklagen gegen sechs Polizisten wegen des Massakers von Yopougon an und berief sogar eine Nationale Versöhnungskonferenz für den 9. Juli ein. Doch die Prozesse fanden nicht statt, und Vertreibungen von Einwanderern gehen weiter. Die Elfenbeinküste unter Gbagbo, so Benoit Scheuer, Gründer von Prévention Génocides, sei „keine klassische Diktatur, die ihre Gegner verhaftet und foltert, sondern sie wendet eine Logik der ethnischen Säuberung an“. Die Klage in Brüssel solle in dieser Situation „Möchtegern-Völkermörder abschrecken“ und „ein für eine richtige Versöhnung günstiges Klima schaffen“.

Kurzfristig bewirkt die Klage das Gegenteil. Am Tag der Klageeinreichung sagte die Regierung Gbagbo die Versöhnungskonferenz am 9. Juli ab. Als Grund nannte sie den an diesem Tag beginnenden Jahresgipfel der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), dessen Termin allerdings nicht neu war. Theoretisch könnte Präsident Laurent Gbagbo verhaftet werden, sollte er zum OAU-Gipfel nach Sambia reisen. DOMINIC JOHNSON