Der kleine Tag ganz groß

Zum achten Mal führt die Anne-Frank-Schule ein Kindermusical auf. Über hundert Kinder spielen, wie es aussieht, wenn man im Kleinen das Große schätzen lernt. Es geht um Kinderalltag: Liebe, Langeweile, Ärger und Angst, Schule und Familie

von KATJA BIGALKE

„Entfliehen Sie der Wirklichkeit“, sagt Schuldirektor Kurt Bohley von der Anne-Frank-Grundschule. Er steht in der Aula des freundlich-hellen Schulgebäudes in Tiergarten. Vor ihm sitzt ein aufgeregtes Publikum. Eltern hibbeln auf ihren Stühlen, Kinder rutschen über den Boden, es riecht nach Erdbeerkaugummi. Dann öffnet sich der Vorhang. Zwei kleine Mädchen rufen mit piepsiger Stimme: „Hallo, Leute, wie war der Tag? Wir nehmen euch mit ins Reich des Lichts.“ Sie springen von der Bühne, der Auftritt ist vorbei.

Die beiden Moderatorinnen sind aus ersten Klasse. Für sie ist heute ein großer Tag: Es ist Premiere des Kindermusicals „Der kleine Tag“, in dem es um Konflikte zwischen „Kleinen und Großen“ geht. Darum, wie „Kleine“ Großes zustande bringen, und um Kinderalltag: um Liebe, Langeweile, Ärger und Angst, Schule und Familie. Die Geschichte handelt von einem kleinen Tag, der am 23. April seinen großen Auftritt auf Erden hat. Zurück im Universum erzählt er von dem Alltag dort und wird von den Tagen „der ersten Reihe“ verlacht. Vom „Mauertag“ mit dem schwarzrotgelben Kostüm, vom „Pokémon-Tag“ und vom „Harry-Potter-Tag“. Denen ist nämlich bei ihrem irdischen Aufenthalt im Gegensatz zu den Banalitäten des „kleinen Tags“ etwas ganz besonderes passiert.

Das alljährliche Musical gehört mit zum Integrationskonzept der Schule. „Die Themen spiegeln das, was die Kinder im Mulitkulti-Unterricht oder in der Mediation erfahren sollen“, sagt der Schulleiter. An der Schule, deren Ausländeranteil bei 40 Prozent liegt, wird nämlich besonderer auf Toleranz geachtet.

Regisseurin Christine Spies war es daher wichtig, dass die Darsteller aus allen Alterstufen kommen und jeder das macht, was er mag und kann. Über 100 Kinder haben mit Eltern und Lehrern an dem Stück gearbeitet. Haben sich die „Erdszenen“ ausgedacht, Kostüme gebastelt, Rollen geprobt. Für viele war das eine sehr wichtige Zeit.

Die 10-jährige Annabell hat den „kleinen Tag“ gespielt. Sie kann gut singen. „Deswegen habe ich die Hauptrolle bekommen“, sagt sie. Das Mädchen, das in der Garderobe eher zurückhaltend wirkt, ist auf der Bühne ein Star. Ganz allein singt sie die Musical-Kinder-Pop-Songs über die Zeit und das Leben. Seitdem sie Theater spielt, grüßen sie sogar die Jungs von der Basketball-AG. „Die Coolen.“ Die spielen auch mit: Basketballkunststücke. Prahlen mit Sonnenbrillen und Goldkettchen, geben dann aber zu, dass sie nur „Halbprofis“ sind. „Cool“ finden sie sich zwar immer noch. Aber „einem Kleinen blöd kommen, das würde ich nie“, sagt Basketballer Patrik. So hat jeder von den Kindern seine ganz eigene Rolle gespielt. Die 10-jährige Deyra hat einen Spagat gemacht, die 11-jährige Darin war Galilei-Tag und hat es geschafft, nicht zu lachen, wenn sie ins Publikum geguckt hat.

Am Ende der Geschichte stellt sich heraus, dass der 23. April zum Feiertag geworden ist, weil an diesem Tag nichts Böses passiert ist. Der „kleine Tag“ wird zum Tag „der ersten Reihe“. Und das wird gefeiert.