DGB: Der Bund muss ran

Die Gewerkschaften fordern bis zu sechs Milliarden Mark Finanzierungshilfe vom Bund für Berlin. DGB-Landeschef Scholz: Das Erbe Preußens gehört allen, und Berlin hat nichts zu verschenken

von RICHARD ROTHER

Allein durch Ausgabekürzungen ist der Landeshaushalt nicht zu konsolidieren. Das ist zumindest die Ansicht des DGB, der gestern ein Sieben-Punkte-Programm zur Steigerung der Einnahmen vorgelegt hat. Damit sollen perspektivisch bis zu sechs Milliarden Mark mehr in die leeren Kassen kommen – und zwar hauptsächlich vom Bund. „Berlin ist aus sich selbst heraus nicht sanierungsfähig“, sagte DGB-Chef Dieter Scholz. Es bestehe kaum noch finanzieller Spielraum, um eigenständig die schwindende Wirtschafts- und Steuerkraft Berlins zu erhöhen.

Der Bund nehme seine Verantwortung für die Hauptstadt nur unzureichend wahr, so Scholz. Nach Ansicht des DGB sollte der Bund die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vollständig übernehmen und auch finanzieren. Dafür könnte ein Teil des voraussichtlich fast drei Milliarden Mark großen Münzgewinns aus der Einführung der Euromünzen genutzt werden. „Preußens Kulturerbe gehört allen, und Berlin hat nichts zu verschenken.“ Die unterlassenen Wiederaufbau- und Sanierungsinvestitionen aus Zeiten der DDR könnten nicht zur Hälfte der Stadt Berlin, nach DGB-Schätzungen rund 1,7 Milliarden Mark, in Rechnung gestellt werden.

Darüber hinaus sollte der Bund die Hälfte der Aufwendungen für die Sozialhilfe übernehmen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf mehrerer Länder habe es bereits 1988 gegeben. Berlin könnte die Initiative aufgreifen und Bündnispartner suchen, da alle Ballungsräume besondere Sozialhilfelasten zu tragen hätten. „Berlin ist die Hauptstadt der Sozialhilfeempfänger.“ Seit 1990 sei deren Zahl um 100.000 auf zirka 275.000 gestiegen. Diese Zunahme kostet den Landeshaushalt rund 3,2 Milliarden Mark allein an Sozialhilfeausgaben.

Zudem soll der Bund nach Ansicht des DGB Altlasten aus dem sozialen Wohnungsbau übernehmen. Während die Wohnungsbaualtschulden für den Ostteil Berlins überwiegend in den Erblastentilgungsfonds übernommen wurden, sei dies mit den Wohnungsbauverpflichtungen für Westberlin aus der Teilungszeit bisher nicht geschehen, sagte Scholz. Dies würde den Haushalt jedoch nachhaltig strukturell entlasten.

Bei den Subventionen für die Wirtschaft mahnte Scholz ein Umsteuern an, auch wenn ihm dies „als Gewerkschafter in Einzelfällen schwer falle“. So dürften die Gelder nicht mehr wie bisher direkt in Not leidende Betriebe fließen, die damit ohnehin nur einen Arbeitsplatzabbau finanzierten. Vielmehr müsse in die Infrastruktur investiert werden. „Die Betriebe kommen und gehen, die Infrastruktur bleibt bestehen.“ Immerhin fließen nach DGB-Angaben jährlich mehr als sieben Milliarden Mark an Finanzhilfen für die Wirtschaft.

Sollte sich der Bund seiner Verantwortung verweigern, müsse Berlin vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und Bundeshilfen einklagen, wie das Saarland und Bremen erfolgreich getan hätten, forderte Scholz. Die Voraussetzungen dafür seien längst gegeben. Im Übrigen hätten Saarland und Bremen im Vorfeld nicht solche Sparleistungen erbracht, wie das Berlin bereits getan habe.