Offiziell: Morsleben ist Morschleben

Interner Bericht an das Bundesamt für Strahlenschutz warnt vor Rissen auch im Zentralteil des atomaren Endlagers Morsleben. Bundesamt und Landesbehörden sehen „keine akute Einsturzgefahr“. Greenpeace fordert Konzept zur Stilllegung der Grube

von N. REIMER und B. PÖTTER

Das bislang einzige deutsche Endlager für radioaktive Stoffe bei Morsleben in Sachsen-Anhalt bröckelt immer weiter. Gestern wurde bekannt, dass sich das Erdreich rund um das ehemalige Salzbergwerk ruckartig bewegt und Risse in den Lagerstätten entstehen lässt.

„Die ständigen Messungen haben ergeben, dass der Schädigungsprozess tatsächlich weiter voranschreitet“, erklärte gestern Beate Hagen, Sprecherin des Wirtschaftsministeriums in Sachsen-Anhalt, das für die bergtechnische Überwachung von Morsleben zuständig ist. Der aktuelle Bericht an das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ergebe „im Wesentlichen aber nichts Neues“. Hagen verwies gegenüber der taz darauf, dass der Schädigungsprozess bekannt sei. Ebenso erklärte das BfS, das Lager könne derzeit sicher betrieben werden. Die Hohlräume im Zentralteil, wo kein radioaktiver Abfall lagere, sollten aber umgehend gefüllt werden, um die Schädigung zu stoppen.

In der Tat bestätigen die Messungen den schlechten Ruf von Morsleben, das noch zu DDR-Zeiten als Atomendlager geplant worden war. Bereits im November 2000 wurde der südliche Abschnitt des Bergwerks in einer Rettungsaktion mit Salzgestein aufgefüllt, weil der Einsturz eines 1.000 Quadratmeter großen Deckengewölbes drohte. Nun verweist das Staßfurter Bergamt in seinem aktuellen Bericht auf ruckartige Bewegungen der Gebirgsschichten mit Rissöffnungen, „die die Standsicherheit der Hohlräume negativ beeinflussen“, zitiert die Mitteldeutsche Zeitung aus dem Dokument.

„Wir kennen diesen Bericht noch nicht, gehen aber davon aus, dass keine akute Einsturzgefahr besteht“, erklärte gestern Sachsen-Anhalts Umweltminister Konrad Keller (SPD). Seinem Haus, das Genehmigungsbehörde für Morsleben ist, lägen keine Anträge des Betreibers – des Bundesamts für Strahlenschutz – vor. Allerdings bezeichnete Ministeriumssprecherin Annette Schütz die Probleme mit dem Salzstock als „unstrittig“. „Wir werden nicht die Zeit haben, Morsleben über ein normales Genehmigungsverfahren still zu legen“, erklärte sie der taz. So sei das Verfüllen des Südteils bereits ein „SOS-Weg gewesen, der eine Notlösung, aber keine endgültige Lösung ist“. Theoretisch müsste die Verfüllung es erlauben, das „eingelagerte Material zurückzuholen“, erklärte Schütz, was aber „technisch kompliziert“ sei.

Je mehr aber Morsleben aufgefüllt werde, desto mehr „bergtechnische Tatsachen“ würden geschaffen, meinte Susanne Ochse von Greenpeace. Natürlich müsse bei akuter Gefahr gehandelt werden, aber es fehle immer noch ein schlüssiges Konzept für die Stilllegung der Grube. Morsleben war in der DDR als Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle genehmigt worden und nach der deutschen Einheit von der CDU/FDP-Bundesregierung weiterbetreiben worden. Erst eine Klage von Greenpeace und BUND und die rot-grüne Bundesregierung stoppten 1998 die Befüllung der Schächte. Bisher lagern dort 37.000 Tonnen Atomabfall.