Mehr bellen, weniger beißen

Seit einem Jahr ist die neue Hundeverordnung in Kraft: Die Anzahl der Hundeangriffe ist seitdem um ein Fünftel zurückgegangen. Polizei hat bisssichere Eingreiftrupps wieder aufgelöst. Hundehalter fühlen sich weiter dikskriminiert

Berlins Hunde sind friedlicher geworden. Oder sie beißen zumindest seltener zu. Die Anzahl der Berliner, die im Jahr 2000 von Hunden bedroht oder verletzt wurden, ist gegenüber dem Vorjahr um ein Fünftel gesunken. „Das ist ein Erfolg der neuen Hundeverordnung“, sagt der Sprecher der Gesundheitsverwaltung, Klaus-Peter Florian. Nach zahlreichen Attacken von Kampfhunden, von denen in Hamburg eine im Sommer 2000 für einen sechsjährigen Jungen tödlich verlief, war die zuständige SPD-Senatorin Gabriele Schöttler endlich aktiv geworden: Sie ließ das alte Regelwerk überarbeiten. Heute vor einem Jahr trat die neue Hundeverordnung in Kraft.

Seitdem hat sich das Leben von Hund und Halter in Berlin verändert: Zwölf Hunderassen dürfen nur noch mit Maulkorb und an der Leine in die Öffentlichkeit. Fünf Arten, darunter Pitbull, Staffordshire-Terrier und Bullterrier, müssen beim Veterinäramt angemeldet werden. Außerdem überprüfen Gutachter Charakter und Kenntnissevon Tier und Mensch.

Mittlerweile sei die Mehrheit dieser Hunde angemeldet, sagt Schöttlers Sprecher Florian. 1.042 Hunde erhielten für den bestandenen Wesenstest die grüne Plakette, die TÜV-Marke für Hunde. Doch wie viele Kampfhunde es in Berlin insgesamt gibt, weiß niemand genau.

Viele Tiere wurden ausgesetzt und landeten statt beim Gutachter im Tierheim Lankwitz. Dort verdoppelte sich die Anzahl der Kampfhunde schnell auf rund 150. Allein in Pankow wurden etwa zehn gefährliche Hunde eingezogen. Andere wurden bei Polizeieinsätzen getötet oder von Amtstierärzten eingeschläfert. Unter diesen 37 Tieren waren auch drei Rottweiler. Die aber sind nach der schwarzen Liste des Senats gar nicht als gefährlich eingestuft.

Auch der Schäferhund, der statistisch gesehen am häufigsten zubeißt, steht nicht auf der Liste. In Brandenburg sind beide Rassen als gefährlich eingestuft.

Die bisssicher ausgerüsteten Eingreiftrupps der Polizei, im Zuge der neuen Hundeverordnung eingeführt, rückten bislang 180-mal mit ihren Fangschlingen aus. Insgesamt registrierte die Polizei 487 Ordnungswidrigkeiten, also fehlende Plaketten, Leinen oder Sachkundenachweise. Doch die Leidenschaft der Polizei hat nachgelassen: Von ursprünglich sieben Eingreiftrupps hat die Behörde mittlerweile nur noch einen.

Die Front des Halterprotestes führt Corinna Nötzold an, Besitzerin eines Bullterrierweibchens. Im Schaufenster ihres „Service-Center für Tiere“ in Wedding klagt sie „die Diskriminierung“ mit drastischen Mitteln an: Die Hundeplakette im Davidsstern erinnere an die Kennzeichnung der Juden im Dritten Reich. Trauerflor umkränzt das Bild eines weißen Hundes, der am Maulkorb psychisch zugrunde gegangen sein soll. Nötzold kritisiert auch die Kosten, die die neue Hundeverordnung den Haltern aufbrummt: knapp 400 Mark insgesamt. Aggressivität mache sich nicht an der Rasse fest, kritisiert sie, „man müsse vielmehr an das andere Ende der Leine heran“.

Der Leiter des Pankower Veterinäramtes, Wolfram Blaffert, hat weiter gehende Forderungen. Die bewegungsfreudigen Tiere hätten viel zu wenig Auslauf in den engen Berliner Wohnungen. Ausgleichen könnten dies nur mehr Auslaufgebiete. Im Gegenzug könnte dann eine generelle Leinenpflicht für alle Hunderassen mehr Sicherheit auf den Gehwegen schaffen. Dringend aufgehoben gehöre das Hundeverbot in U- und S-Bahn. Halter gefährlicher Hunde könnten weder zum Auslaufgebiet noch zum Tierarzt gelangen. „Das ist völlig unverständlich“, sagt Blaffert. Er hofft auf das geplante Hundegesetz, das Senatorin Schöttler seit über einem Jahr durch die Ausschüsse treibt. Doch zunächst einmal muss die aktuelle Hundeverordnung vor dem Verfassungsgericht standhalten. 35 Hundebesitzer haben Beschwerde eingelegt. Am kommenden Donnerstag wird das Urteil erwartet. TILMAN STEFFEN