zwischen den rillen
: Melancholie mit Universal Gonzáles und Zimtfisch

Dachgarten der einsamen Herzen

Universal Gonzáles haben ein Album eingespielt, das gut zu den alten Platten passt, die man manchmal sonntags hört, wenn sich vorm Fenster der Himmel wie eine Plastiktüte zusammenzuschnüren scheint. Diese Platte ist schwer melancholisch – ein Gefühl, das schon der tiefen und prägnanten Stimme von Claudia Gonzáles innewohnt. Schlagzeuger Jacques Palminger hat die passenden Worte zur Stimme gefunden, lakonisch, rätselhaft und ziemlich spröde. Zwischendurch ein paar gelungene Coverversionen von Serge Gainsbourg bis Jorge Ben.

Universal Gonzáles ist der Zusammenschluss von vier Veteranen der Hamburger Subkultur. Ihre Namen tauchten manchmal auf Besetzungslisten von Bands wie den Goldenen Zitronen, Dackelblut, Motor Weirdos und Nationalgalerie auf. Mögen die Texte auch ziemlich belanglos sein und stellenweise auch kitschverklebt, so gelingt es Claudia Gonzáles immer wieder, ihnen eine gewisse Wärme einzuhauchen mit ihrer Stimme, so dass man dazu neigt, ihr Bilder wie den „perlenweißen Sonnenstrand“, schöne Träume, die ertrinken, oder das „Zuchthaus der verlorenen Mädchen“ durchgehen zu lassen.

In „Unzerstörbar“ steht eine alternde Nutte vorm Spiegel, die „weiß, dass ihre Schönheit nicht vergeht“, denn „irgendetwas muss doch bleiben und bestehn“. Und eines Tages wird auch, so hofft sie, die große Liebe vorbeischlendern. In „Gefängnismelodie“ wiederum trifft einer, dem man zwar das Haar schnitt und den Willen brach, im Knast immerhin den Mann, „der ihm die ganze Welt erklärte“. Lebenslänglich muss wohl doch nicht immer ganz hoffnungslos sein.

Diese Lieder kommen schleichend daher und sind dann wieder fort, über ihnen schwebt ein großes Vielleicht. Trotz aller Dunkelheit bleibt die Musik leicht, das liegt vermutlich an den südamerikanischen Anleihen. Die Schwermut triphopst so vor sich hin, unspektakulär und für die Übriggebliebenen einer Samstagnacht, für die, die den Sonntag nur schwer ertragen können.

Wenn Universal Gonzáles als Kapelle der einsamen Herzen im Dachgarten aufspielen, dann muss man Zimtfisch im Keller vermuten. Schnodderig holpern sie sich in guter Gitarrengruppenmanier durch ihre Lieder – kein Trash, sondern recht locker-luftig, so was könnte man im Autoradio hören, bei heruntergekurbelten Scheiben. Busbenutzer summen die Melodien beim Warten leise vor sich hin. „Manchmal ist das Leben ein Bus / man ist froh, dass man irgendwo hinkommt und nicht selber fahren muss.“

Das ist die unsägliche Trägheit des Seins: Man will eigentlich ausgehen, aber schließlich ist man ja schon zu zweit. Und plötzlich ist es schon wieder hell. Jakob Dobers singt unauffällig. Doch das, was er singt, macht das, wie er singt, bemerkenswert.

Er singt Geschichten von irgendwelchen Augenblicken, die manchmal passieren und dann wieder vorbei sind. Er singt von Momenten, wenn wieder „ein anderes Leben wirklicher als deins“ zu sein scheint, zumal das Leben in den Filmen, die man mag, meistens sowieso schöner aussieht. Aber manchmal hält der Himmel eben doch, was er verspricht, und dann hat man wieder Ideen, die man selbst nicht versteht.

„Leben ändern 1 & 2“ erzählt von einem langweiligen Maler, der aber ein sehr interessanter Mensch war und manchmal nachts die Möbel umstellte: „Sein Leben war im Grunde für ein größeres Publikum gemacht.“

Das sind auch Zimtfisch. Die vier jungen Berliner musizieren seit 1994 zusammen und haben für ihre wachsende Fangemeinde inzwischen drei Platten veröffentlicht. Ihr neues Werk heißt „Hey Hey Hey Hey“. Der Titel symbolisiert das Understatement hinter dieser Musik. Als ob man nichts zu sagen hätte, aber alle dann froh sind, dass man doch was gesagt hat: „Wo bleibt die Antwort auf die Frage aus der Gegensprechanlage?“

Auf „Hey Hey Hey Hey“ erklingen immer wieder erstaunliche musikalische Wendungen: Plötzlich trompetet es, aber nicht an der Stelle eines Liedes, an der man mit einem Solo rechnen würde, sondern dann, wenn schon das Ende gekommen zu sein schien. Und ist die Stimmung gut, dann wird sogar die Tür zum Heizungskeller aufgemacht. Das heißt dann Diskogefühl und wirkt wie eine Achtzigerjahreparodie, wie eine Warnung: Wir könnten auch anders, aber wir ersparen’s euch besser.

Universal Gonzáles und Zimtfisch liefern zwei Möglichkeiten, Melancholie auszuhalten. Während Erstere sich stellenweise in tiefen Gefühlen verlieren, versuchen die anderen, diese mit einem Augenzwinkern abzutun. Nicht nur samstagnachts. THILO BOCK

Universal Gonzáles, „Universal Gonzáles“ (Trikont/Indigo); Zimtfisch, „Hey Hey Hey Hey“ (What’s So Funny About/Indigo)