Lieblos hingeworfen

Maximalunterfangen gescheitert: Die Ausstellung „Damaskus – Aleppo“ in Harburg  ■ Von Hajo Schiff

Schon vor 1 300 Jahren war Damaskus eine glänzende Stadt mit einer üppigen Wasserversorgung, wie sie Hamburg mal gerade Ende des 19. Jahrhunderts bekam. Die dort regierenden ummayyadischen Kalifen herrschten prachtvoll über ein Reich, das sich vom Indus zum Atlantik erstreckte. 1184 schrieb der andalusische Reisende Ibn Jubar, Damaskus sei ohne Zweifel das Paradies auf Erden.

Und ein Traumziel mag die Stadt mit einer der wichtigsten Moscheen des Islam und ihren endlosen Basaren noch heute sein. Syriens Hauptstadt Damaskus und die etwa 350 Kilometer nördlich gelegene zweitgrößte Stadt Aleppo sind nicht nur über fünftausend Jahre alt und die vielleicht ältesten kontinuierlich städtisch besiedelten Plätze der Welt, sie haben als heutige Megastädte auch mehrere Millionen Einwohner – und somit gewaltige Strukturprobleme.

Die Kulturgeschichte beider schon seit den Achtziger Jahren von der UNESCO dem Weltkulturerbe zugerechneten Städte ist auch Thema einer Wanderausstellung, die zurzeit im Harburger Helms Museum Station macht. Zu sehen sind dort beispielsweise Terracottafigurinen aus dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung oder edle islamische Keramik. Historische Wohnräume wurden nachgestellt und größere Architekturfragmente herbeigeschafft, Brunnen aufgebaut – und selbst ein Blick auf die Sonderkultur der legendären Oasenstadt Palmyra wird geboten. Doch bei alledem geht es weniger um Archäologie und Kunst, als vielmehr um Belege für eine in zahllosen Schichten überlagerte Kulturdichte, die unter den sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen der Gegenwart stark vom Zerfall bedroht ist. Kernthema der Ausstellung ist es, nach den Möglichkeiten einer zukünftigen Stadtentwicklung zu fragen und zu zeigen, was mit deutscher Hilfe dort seit Jahren bereits geleistet wurde.

Die Sanierungsaufgabe ist schwierig, schließlich ist allein die Altstadt des kleineren Aleppo etwa dreimal so groß wie die Innenstadt von Hannover. Und können europäische Denkmalschutzkriterien und Umnutzungskonzepte überhaupt auf den Orient übertragen werden? Schließlich lässt sich das Ziel, historische Bausubstanz zu erhalten und preiswerten Wohnraum zu behalten, oft auch hierzulande nicht umsetzen.

So faszinierend das Ausstel-lungsthema ist, so sehr sind allerdings die gravierenden Nachlässigkeiten in der Präsentation zu bedauern. Eine Stucknische aus dem frühen 19. Jahrhundert liegt derart lieblos in einer Ecke herum, dass man sich fragt, ob sie vielleicht jemand aus Versehen umgeworfen hat. Die Projektion mancher Dias ist größer als die durch weißes Papier vorgegebene Bildfläche, was äußerst improvisiert aussieht, aber fast nichts ausmacht, da das ungebremst auf diese Fläche fallende Sonnenlicht ein mehr als schemenhaftes Erkennen ohnedies unmöglich macht. Dass eine der Computerprojektionen nicht funktionierte, kann auch nicht mehr überraschen. Und so entpuppt sich genau das, was so interessant klingt, an diesem Ort als letztlich vermessenes Unterfangen: Fünftausend Jahre städtische Kultur von den Assyrern zur – mit Mitteln der deutschen „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ geförderten – Stadtplanung für das 21. Jahrhundert lässt sich nicht mal eben in zwei niedrigen, vollgestellten Räumen so darstellen. Und der als „Orientalischer Museumsbasar“ angekündigte einsame Tisch mit Kissenbezügen und Olivenölseife ist weniger exotisch als jeder Harburger Gemüseladen.

Trotz schöner Exponate, hauptsächlich aus dem vorderasiatischen Museum in Berlin, ist die Ausstellung leider nicht auf dem Stand dessen, was heute von einem großen Museum erwartet werden kann. Dafür ist das komplexe Katalogbuch, das mit den einzelnen Exponaten der Ausstellung allerdings nur wenig zu tun hat, ein 536 Seiten starkes, hochinteressantes, detailliertes Handbuch zur Geschichte und Zukunft der beiden orientalischen Großstädte.

„Damaskus-Aleppo: 5000 Jahre Stadtentwicklung in Syrien“, Helms Museum, Hamburgisches Museum für Archäologie und die Geschichte Harburgs, Museumsplatz 2; bis 2. September.

Syrische Nacht mit Musik, Bauchtanz und kulinarischen Spezialitäten am 12. Juli von 19-22 Uhr, nur nach Anmeldung unter Tel. 040 / 428 71 36 93.

Katalog: 536 Seiten; 49 Mark

Führungen: sonntags 11 Uhr, mittwochs 12 Uhr.