Fashion für Fersen

Extravagante Markenpflege bei Salvatore Ferragamo: 1995 installierte die italienische Schuhfirma ein eigenes Museum, für 2001 wurde zum zweiten Mal eine „Young Designer Competition“ prämiert

von NIKE BREYER

Ein klingender Markenname stimuliert die Kauflust. Das ist für den Besitzer des Namens angenehm. Der gute Name ist aber auch ein Adel, der verpflichtet. Er weckt Erwartungen und lässt Ansprüche wachsen, deren Berechtigung immer wieder aufs Neue bestätigt werden muss. Um den Bemühungen einen Rahmen zu geben, wurde die Markenpflege erfunden, in der sich die internationalen Großfirmen an Einfallsreichtum und Glamour-Faktor gegenseitig zu überbieten suchen: vom Sport-, Event- und Kunst-Sponsoring bis hin zu spektakulären Presseeinladungen, etwa zur Geschäftseröffnung nach Sylt, wie bei Palmers für Ludwig Reiter. Hennes & Mauritz veranstaltete einen Gala-Abend im Steinbruch in Mittelschweden, und als grandiose Kür darf der Kurztrip nach Capri mit spontanem Yachtausflug gelten, zu dem Tods ganz ohne jede lästige Produktpräsentation einlud. So setzt man Maßstäbe und die Konkurrenz unter Druck.

Auch Salvatore Ferragamo strebt auf diesem Feld nach Meisterschaft. Dabei stellt Markenpflege für das in Florenz ansässige Familienunternehmen auch deshalb ein besonderes Anliegen dar, weil es zwei unter diesem Namen parallel existierende Universen zu managen gilt. Da sind zum einen Leben und Werk von Salvatore Ferragamo (1898–1960), dem legendären Schuhmacher der Stars, der als blutjunger Schusterbub 1914 aus seiner Heimat Bonito in Süditalien nach Amerika auswanderte. 1927 kehrte er als berühmter Mann nach Italien zurück, wo er sich in Florenz niederließ und 30 Jahre bis zu seinem Tod atemberaubende Schuhträume nach Maß fertigte. Natürlich für die schönsten, reichsten und berühmtesten Ladys seiner Zeit, von Evita Perón über die Duchess of Windsor bis zu Gina Lollobrigida und Marylin Monroe.

Label für Lifestyle

Zum anderen ist da aber das Unternehmen Salvatore Ferragamo. Es ist in seiner heutigen Gestalt das Werk von Wanda Miletti Ferragamo. Nach dem Tod ihres Mannes 1960 übernahm sie als junge Witwe unfreiwillig die Führung des Unternehmens, doch sie verstand es, aus der Not eine Tugend zu machen, und erfand es dabei neu. Mit Unterstützung ihrer Tochter und den drei Söhnen, die heute längst alle in der Unternehmensleitung tätig sind, ersetzte Wanda den alten Handwerksbetrieb durch die Produktionsform gehobener Konfektion. Salvatore Ferragamo wurde als modernes Lifestyle-Label wiedergeboren, das heute über ein weltweites Vertriebsnetz und eine den Globus umspannende Kette eigener Shops verfügt. Hier wird neben Schuhen eine breite Palette von Accessoires angeboten, von der Handtasche bis zur Krawatte, dazu kommen eine komplette Damen- und Herrenkollektion.

Salvatore Ferragamo, ein Name, zwei „Marken“ – was nun? Familienangehörige und Unternehmensleitung reagieren, indem sie das Erbe des legendären „shoemaker of dreams“ bewusst pflegen, um Geschichte zu bewahren einerseits und um andererseits den Glamour und die Credibility des Mythos auf Wandas Welt des exquisiten Lifestyles zu transferieren. Als unbedingt sympathische Maßnahme in diesem Zusammenhang darf man das 1995 gegründete „Museum Salvatore Ferragamo“ betrachten, das über einen Bestand von zirka 10.000 Schuhen wacht und im Zweijahresrhythmus kleine kompakte Konzeptausstellungen ausrichtet, die sich den Schuhkunstwerken Salvatores wie seinen Kontakten zu einer schillernden Kundschaft widmen. Das Museum realisiert diese Aufgabe auf bemerkenswert hohem Niveau. Maßgeblich ist das seiner Leiterin Dr. Setania Ricci zu verdanken, der es gelingt, akademische Ernsthaftigkeit mit Eleganz und guter Unterhaltung zu verbinden.

Das bislang neueste Instrument Ferragamo’scher Markenpflege wurde 1998, zum hundertsten Geburtstag des Meisters, aus der Taufe gehoben: ein internationaler Wettbewerb für Designstudenten. Es handle sich um den Tribut an einen unerfüllten Traum von Salvatore Ferragamo, heißt es, der gerne eine Schule gegründet hätte, um sein Wissen und seine Liebe zu den Schuhen weiterzugeben. Daneben, lässt Nicole Fischelis als Fashiondirector des Hauses durchblicken, denke man auch daran, nachher einen oder zwei Designer ins eigene Studio zu integrieren. Zur Auffrischung des Kreativteams, aber auch um eine Generation junger Talente zu fördern. „Es geht nicht nur darum, was wir von ihnen bekommen können, sondern auch darum, was wir geben können.“

Gewinnende Sandalen

Zur diesjährigen zweiten Ausgabe der Ausschreibung wurden bis Juni 239 Arbeiten eingereicht von 56 Schulen aus 29 Ländern. Um die Gewinner überparteilich, kompetent und medienwirksam zu ermitteln, lud Ferragamo wie schon beim ersten Mal zehn prominente Juroren für einen Tag nach Florenz. Neben zwei Familienmitgliedern und Nicole Fischelis waren das sieben Prominente aus der Welt von Mode, Film und Design, darunter Manolo Blahnik, selbst ein Halbgott der Schuhmacherkunst, Hongkongfilm-Produzent Jakob Cheung und die Chefredakteurin der italienischen Condé-Nast-Publikationen, Franca Sozzani.

Man ermittelte folgende Gewinner: Der erste Preis ging an Youthachai Watanapanich aus Bangkok, der zweite an Jelena Djukić, Studentin am Centro die Formazione Professionale di San Colombano in Florenz, der dritte an Ken Chun Li aus Taipei. Die Prämierungen sind mit Geldpreisen in Höhe von 12.400, 5.200 und 2.600 Euro verbunden. Die exquisite Sandale von Watanapanich, die den ersten Preis gewann, wird in einer limitierten Auflage von tausend Exemplaren unter dem Label Salvatore Ferragamo produziert. Zusammen mit der Siegerehrung im Juni in Florenz wurde eine Ausstellung eröffnet, in der neben den Gewinnern alle eingereichten Schuhe besichtigt werden konnten. Für fünf Tage hatten internationale Presse, Besucher, die zur Herrenmodemesse „Pitti Immagine Uomo“ angereist waren, und andere Interessierte die Gelegenheit, den frappierenden Ideenreichtum der Modelle zu bewundern – mit einem kleinen Schönheitsfehler: Die Namen der Designer und Angaben zum Herkunftsland fehlten. Interessiert das?! Hauptsache, man redet über die Veranstaltung, nicht die Veranstalteten. Schön war sie trotzdem.