Napstern ohne Napster

Pech für Bertelsmann: Seine kostenpflichtige Version der Musiktauschbörse läuft noch immer nicht, stattdessen werden die alternativen Systeme immer beliebter, die kaum zu kontrollieren sind

von ERIK MÖLLER

Als Anfang Juli die US-Bezirksrichterin Marilyn Patel von Napster verlangte, die Suchfilter der Musiktauschbörse Napster müssten „100 % perfekt“ funktionieren, interessierte das kaum noch einen ehemaligen Nutzer. Seit die von Nutzern angebotene Musik gefiltert und auf nur wenige erlaubte Titel beschränkt ist, erlebte die Tauschbörse einen Massenexodus.

Auch die Ankündigung eines eigenen Musikformats, NAP, anstelle von MP3, um das Brennen auf CD oder das Anhören mit einem mobilen Player unmöglich zu machen, hat die Loyalität der User nicht gerade gesteigert. Eigentlich wollte Napster damit auf den Abonnementdienst im Verbund mit Bertelsmann vorbereiten. Nur lässt der auf sich warten – inzwischen wird nicht einmal mehr ein Starttermin genannt. Napster ist tot, in der alten wie in der neuen Version. Die wöchentlichen Downloads der neuen Software, ohne die auch der alte Dienst nicht mehr nutzbar ist, sind bei CNet im Juli auf rund 18.000 zurückgegangen.

Zugleich gibt die CNet-Statistik Aufschluss darüber, welche Software stattdessen nachgefragt wird. Auf Platz eins steht die Musiktauschbörse „Morpheus/KaZaA“ (www.musiccity.com) mit 1,6 Millionen Downloads, gefolgt vom AudioGalaxy Satellite mit rund 1 Million Downloads. Beliebt sind auch www.iMesh.com, www.BearShare.com und www.Limewire.com.

Die US-Plattenindustrie, die Napster zum Filtern gezwungen hatte, ist natürlich der Konkurrenz gegenüber nicht tatenlos geblieben. Die Tauschbörsen AudioGalaxy und iMesh haben ihre eigenen Filter installiert. Einige zentrale Server verwalten einen Index der angebotenen Dateien. Daher war es für die Betreiber einfach, die Auflagen der RIAA (Recording Industry Association of America) zu erfüllen. Aber die Nutzer wanderten zu anderen Systemen aus, in denen sie ungefiltert Dateien tauschen können. Am beliebtesten sind KaZaA, Gnutella und WinMX.

KaZaA ist ein von der holländischen Firma FastTrack entwickeltes dezentrales Tauschnetz. Einige Nutzer mit hoher Bandbreite verarbeiten die Suchanfragen anderer User, so dass die Betreiber auf einen eigenen Server verzichten können. Wenn sie eine Filteraufforderung erhielten, könnten sie sich sowohl auf Nichtverantwortlichkeit berufen als auch die Unmöglichkeit des Vorhabens erläutern.

So schnell populär geworden ist KaZaA auch deshalb, weil ein ehemaliges großes OpenNap-Netz (auf Napster-Technik aufsetzende Tauschringe) die Software lizenzierte und unter dem Namen „Morpheus“ als ihre eigene anbot. Das Netz, mit dem man verbunden wird, ist dabei im Wesentlichen identisch, man sieht auch die Inhalte, die von KaZaA-Nutzern angeboten werden. Finanziert wird das Programm in beiden Fällen durch eingebaute Werbebanner.

Schneller als Napster

KaZaA hat einige interessante Funktionen, die Napster nicht enthielt. Wie bei fast allen Napster-Nachfolgern können beliebige Dateien getauscht werden, auch Filme und Software. Darüber hinaus kann das Programm Dateien von mehreren Nutzern gleichzeitig beziehen. Dadurch werden Verlässlichkeit und Geschwindigkeit der Downloads drastisch gesteigert. Ausführliche Metainformationen über alle Suchergebnisse machen es möglich, Dateien zu bewerten.

Fasttrack-Chef Niklas Zennström sieht sein Unternehmen als reine Softwarefirma. Andere arbeiteten an eigenen Versionen, zum Beispiel zum gemeinsamen Zugriff auf wissenschaftliche Daten. „Wir betreiben das Netz nicht, wir lizenzieren nur die Software“, sagt Zennström, gibt jedoch zu, dass KaZaA Server betreibt, die den Nutzern den Zugang zum Netz erst ermöglichen. Zur Sicherheit werden sie von einer juristisch getrennten Firma verwaltet.

Noch im Gange sind Verhandlungen mit der niederländischen Phonoindustrie, um ein rechtlich einwandfreies Verwertungsmodell für KaZaA zu finden, beispielsweise durch die Ausschüttung von Gebühren aus dem Werbeeinnahmentopf oder durch User-Abonnements.

Gnutella gibt es schon seit März 2000, ohne dass die Plattenindustrie etwas dagegen unternahm. Das komplett hierarchielose Netz schickt Suchanfragen direkt zu jedem teilnehmenden Rechner – ein zusätzlicher Aufwand, der vor allem Modem- und ISDN-User belastet. Die beliebtesten Gnutella-Clients sind derzeit BearShare, LimeWire und Gnucleus.

BearShare finanziert sich durch verschiedene Huckepackprogramme, die im Hintergrund Daten übertragen und Werbung einblenden – unangenehm für den Nutzer. In einigen Fällen können solche trojanischen Pferde sogar die ganze Verbindung lahm legen. Der in BearShare enthaltene Trojaner new.net hat kürzlich tausende T-Online-Nutzer den Internetzugang gekostet. Auch das in AudioGalaxy enthaltene „Tool“ webHancer führt bei Entfernung oft zur Kappung des eigenen Netzzugangs. Für solche Fälle empfiehlt sich das Aufräumwerkzeug „Ad-Aware“ der Firma Lavasoft (www.lavasoftusa.com), das die Schädlinge sicher entfernt.

Abwarten der Industrie

Die Software WinMX, die ursprünglich nur auf Napster-Server zugreifen konnte, erzeugt heute ein unabhängiges, zwar nicht besonders innovatives, dafür aber effizientes Peer-to-Peer-Netz. Experimenteller ist eDonkey2000, das die Multi-Download-Technik von KaZaA noch perfektioniert. Hier wird sogar von anderen Nutzern heruntergeladen, wenn diese noch gar nicht über die komplette Datei verfügen. Beide Netze sind sehr aktiv, eDonkey wird vor allem zum Tauschen von Filmen verwendet und eignet sich auch für Modemnutzer.

Das Ende der Tauschbörse Napster wird es Bertelsmann (und den anderen Medienkonzernen) schwer machen, dieses System bei den enttäuschen Usern noch einmal – und jetzt gegen Gebühren – durchzusetzen. Die alternativen Tauschsysteme, deren Software teilweise von Nerds ohne kommerzielle Absicht geschrieben wird, sind nicht so leicht in den Griff zu bekommen. Dutzende von Prozesse müssten geführt werden: ein Albtraum für die PR-Abteilungen der Musikindustrie, die vorerst lieber abwartet, ob ein solches Programm ähnliche Größenordnungen wie vormals Napster entwickelt.

moeller@scireview.de