Wenn die Falschen zubeißen

■ Weil Kormorane angeblich immer mehr werden und zu viel Fisch fressen, wollen ein Naturschutzverband und niedersächsische Angler- und Fischereivereine die Vögel abschießen

Plage, Räuber, Terroristen: Wenn Fischer und Angler über den Kormoran reden, hat man den Eindruck, es geht um die Pest. Ede Brumund-Rüther, Sprecher der Sportfischer im Landesfischereiverband Weser-Ems legt noch eins drauf. Kormorane, seien keine deutschen Vögel, sondern „eingesickerte“ Ausländer und damit nicht schützenswert. Weil die „Kormoranplage“ gegen Angler und Fischer an den Fischbeständen zerrt, möchten die Fischer ihre Konkurrenten am liebsten abschießen – was bislang nur in Ausnahmefällen gestattet ist. Doch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) bastelt an einer verschärften „Landesverordnung zur Abwehr erheblicher Fischereischäden“.

Hauptsächlich geht es um die Ahlhorner Fischteiche zwischen Bremen und Oldenburg und das Bad Zwischenahner Meer. Hier, so die Argumente der Fischer, hätten die Kormorane so dramatisch zugenommen, dass die Teiche von ihnen leergefischt oder die übriggebliebenen Fische durch Kormoranbisse schwer verletzt würden. Nach Angaben der Fischer sollen im Weser-Ems Gebiet derzeit 5.000 Kormorane nach Fischen Ausschau halten. „Diese Zahlen sind falsch“, meint der ostfriesische Vogelzähler Klaus Rettig. Auf der Basis seiner Zählungen rechnet das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) mit einem Festbestand von etwa 800 Brutpaaren. „Dass die Kormorane den Fischbestand schädigen, ist eine Behauptung der Angler“, erklärt Peter Südbeck vom NLÖ.

Auch Remmer Ackermann als Chef der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte-Weser-Ems (BSH) unterstützt die Fischer. Sein Argument: Die Kormoranhorden würden die Fischreiher von den Nahrungsgründen der Ahlhorner Fischteiche vertreiben. Die Reiher wiederum würden sich an den Amphibien schadlos halten. Die Amphibien seien aber schon vom Aussterben bedroht. „Unfug“, kontert Manfred Knake von der Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland: „Herr Ackermann hat keine Beweise.“ Abgesehen davon sind die Ahlhorner Teiche, obwohl sie künstlich angelegt wurden, Naturschutzgebiet und als Vogelschutzgebiet der EU gemeldet, da darf nicht geschossen werden. „Es sei denn, die Fischereilobby setzt sich trotzdem bei der Landesregierung durch. Das wäre aber nicht im Sinne der derzeitigen Gesetzeslage“, meint Knake trocken.

Als bekennender Fischfresser waren Kormorane, genauso wie der Fischotter in Nordeutschland fast ausgerottet. „Vielleicht glauben die Angler deshalb, der Vogel sei hier nicht heimisch, weil er so gut wie nicht zu sehen war. Ob deutsch oder nicht, der Kormoran ist seit dem frühen Mittelalter in unserer Region bekannt“, meint Manfred Knake. Bis vor knapp zehn Jahren stand der Vogel auf der Roten Liste, der vom Aussterben bedrohten Arten. Warum er heute wieder vermehrt auftaucht, ist unbekannt. „Es gibt keine gesicherten Beweise“, meint Peter Südbeck vom Niedersächsischen Landesamt für Ökologie.

„Eigentlich ist es ja ein schöner Vogel“, gesteht Werner Gloth, Vorsitzender des Bezirksfischereiverbandes für Ostfriesland und damit Chef von 7.000 ostfriesischen Anglern, fordert aber von der Landesregierung: „Die Kormoranbestände müssen reguliert werden. Die Vögel sind eine Gefahr für die heimischen Fischbestände.“ Und beschwichtig: „Um Gottes willen, niemand will das Tier ausrotten.“ Was Gloth verschweigt: Die Angler selbst haben durch ihre jährlichen Fischbesatzaktionen erhebliche Veränderungen in den Fischbeständen provoziert. Was Gloth auch verschweigt: Die Angler selbst haben immer wieder auf andere Gründe hingewiesen, warum ihre Fischbestände abnehmen: schlechte Gewässerqualität, fehlende Flachwasser oder auch überschwemmtes Grünland zu der Laichablage und verstärktes Abfischen. Thomas Schumacher