Der Deal mit dem Jungbrunnen

■ Bayerische Polizisten haben im Auftrag der Bremer Staatsanwaltschaft eine Kaffeefahrt hochgehen lassen, bei der vermeintliche Wundermittel gegen Krebs verkauft werden sollten

Sie verheißen Schutz vor Krebs und Diabetes, Durchblutungsstörungen und vielem mehr, was alte Menschen Furcht macht: vermeintlich hochwirksame Medikamente, die Geschäftsleute aus dem Bremer Umland auf Werbeverkaufsfahrten („Kaffeefahrten“) für horrende Summen ihrer Kundschaft andrehen. Jetzt ist die Bremer Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben ein wichtiger Schlag gegen die „Wundermittel“-Händler gelungen: Bei einer Polizeirazzia in einem abseits gelegenen Gasthof bei München wurden fünf Verdächtige vorläufig festgenommen; außerdem stellten die Beamten, die in bremischem Auftrag zur Tat schritten, große Mengen der dubiosen Präparate sicher.

Dabei habe man unter anderem vorbereitete Kaufverträge entdeckt, in denen „eine Therapie und eine Decke“ für 3.700 Mark in Rechnung gestellt wurden, so der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Dr. Thorsten Prange. Potentielle Unterzeichner waren drei Busladungen Seniorinnen und Senioren, die zuvor per Post zu einer Fahrt ins Blaue plus Mittagessen eingeladen worden waren. Wofür genau sie so viel Geld bezahlen sollten, ist laut Prange noch unklar: Das als medizinischer Jungbrunnen gepriesene „Hormonpräparat“ – 450 Kartons mit je dreißig Ampullen – ist noch nicht analysiert. Auch das ebenfalls gefundene so genannte Wundermittel „Q10“ wird noch geprüft. Die Erfahrungen mit der Bremer Briefkastenfirma, die unter immer neuen Namen auftritt („Victoria-Reisen, Eihpos, Regina Club Reisen“), geben indes allen Anlass zum Zweifel.

Nordrhein-westfälische Polizis-ten hatten bereits im März bei Veranstaltungen in Münster und in Greven 120 Packungen mit dem Produkt „AGC“ gefunden. Der Preis für jeweils drei Fläschchen mit Pillen: Knapp 2.000 Mark. Was die geschulte „Werbeverkaufssprecher“ ihrer ahnungslosen Kundschaft verschwiegen: Das Mittelchen enthielt noch nicht einmal das, was auf den einzelnen Flaschen angegeben war – überwiegend pflanzliche Inhaltstoffe mit klingenden Namen wie Rosenwurz oder morinda citrifolia, über deren vorgebliche Wirkung auf Tumoren man gewiss streiten kann.

Richtig ungesund war die teure Mixtur aber auch nicht: Lactose – Milchzucker also – und Spuren eines Kreislaufmittels. „Dann kann man auch Vitamin C als Anti-Krebs-Präparat“ verkaufen, sagt dazu Staatsanwalt Prange. Besonders perfide: Die Bremer Geschäftemacher beriefen sich bei ihren Präsentationen sogar auf die Deutsche Krebshilfe.

Es sei eine „ganz neue Dimension“, dass auf Kaffeefahrten jetzt auch derartige Pseudo-Medizin verkauft werde und nicht mehr nur die berühmt gewordene überteuerte Rheumadecke. Das tatsächliche Ausmaß der mehr als anrüchigen Geschäfte – Verdacht: Betrug und Verstoß gegen das Arzneimittelwerbegesetz – ließe sich noch nicht absehen. Man müsse aber bedenken, dass die überregional aktive Firma zum Teil mehrmals wöchentlich Veranstaltungen anbiete, sagt Prange. Auf die Spur war die Staatsanwaltschaft den Gesundheits-Dealern offenbar eher nebenbei gekommen, nachdem sich Kaffeefahrten-Teilnehmer über ausbleibende Geldgewinne beklagt hatten.

Unklar ist allerdings noch immer, wer sich wirklich hinter den dubiosen Firmennamen verbirgt. Mehrere beteiligte Personen verweigern „buten un binnen“ zufolge jede Aussage. Das Bremer Regionalmagazin hatte ein süddeutsches Fernsehteam auf die Polizeiaktion Mitte des Monats angesetzt; ges-tern wollten sowohl „bubi“ wie auch die Sendung Report aus München über die Anti-Krebs-Mittel auf Kaffeefahrt berichten. Die Bremer Staatsanwaltschaft hofft nun, dass ihr die nach Razzia und Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Geschäftsunterlagen und Adress-bücher weiter helfen werden. hase