Low-budget, polymorph-pervers

■ Das Böse lässt sich weder bannen noch austreiben: Das Fantasy Filmfest widmet Brian Yuzna eine Retrospektive und zeigt seinen jüngsten Film, „Faust“

Vielleicht musste die Dekade ein solches Ende finden. Ein Jahrzehnt, in dem Unfrisuren wie die von Paul Young und Simon Le Bon als letzter Schrei galten, in dem Filme wie Pretty in Pink und Dirty Dancing die Jugend inspirierten und Molly Ringwald und Michael J. Fox Teenieherzen höher schlagen ließen, verdient wohl keinen anderen Abschluss. Society, der erste Film, den Brian Yuzna als Regisseur drehte, ist eine Austreibung des schlechten Geschmacks mit seinen eigenen Mitteln, eine Kriegserklärung an die Deformationen eines hässlichen Jahrzehnts durch eine Apotheose körperlicher Mutationen.

Die Story ist ebenso einfach wie effektiv: Der Sprößling einer reichen Familie entdeckt nach und nach, dass hinter den Masken seiner betuchten Verwandten ein Clan polymorph-perverser, glibberig-geiler Swinger steckt, die sich an jeder nur denkbaren Penetra-, Muta- und Deformation delektieren. Geschickt streut Yuzna für seinen jungen Helden und das Publikum Hinweise auf das ungeheure Geschehen hinter den Fassaden der High Society, um schließlich in einem der umwerfendsten Grand-Guignol-Finales des Horrorkinos die vielfältigen Möglichkeiten des seiner biologischen Fesseln ledigen Körpers visuell auszuloten. Da wird kopuliert, gelutscht und mutiert, dass es ein wahrer Augenschmaus ist, Körperöffnungen geben ihre wahren Bestimmungen preis, und verbale Metaphern (z.B. „talking out of one's ass“, etwa: keine Ahnung haben, wovon man spricht) werden auf spektakuläre Weise wörtlich genommen.

Ja, es gab intelligente Teen-Horror-Komödien, bevor das Genre von der Pest des College-Slashers befallen wurde. 1989 drehte Yuzna seinen ersten und besten Film, der schon enthält, was allen seinen Werken gemeinsam ist: die Vorliebe für die vielfältigen Transformationsmöglichkeiten des Körpers, die genialen Ideen des japanischen SFX-Mannes Screaming Mad George, der Yuzna bei fast allen seinen Filmen zur Seite steht, ein wunderbarer Trash-Instinkt und ein Faible für abseitige Sexualität. Dreht sich bei Scream und Co. letztlich alles um die Paarung heterosexueller Highschool-Ikonen, hegt Yuzna eine wohltuende Vorliebe fürs Präpubertäre, für das Anale und Nekrophile.

Auch sein zweiter Film, Bride of the Re-Animator (1990), das Sequel zu Stuart Gordons Genreklassiker Re-Animator, an dem Yuzna als Produzent beteiligt war, dreht sich um eine nekrophile Fantasie. Der Wissenschaftler Herbert West (Over-Acting als schöne Kunst betrachtet: Jeffrey Combs in seiner ersten, aber keineswegs letzten Zusammenarbeit mit Yuzna) hat ein Serum entdeckt, mit dem er diesmal nicht nur Leichen, sondern auch einzelne Körperteile wiederbeleben kann. Das führt nicht nur zu einem Reigen wild zusammengeschusterter Kreaturen, sondern zu dem Plan, aus diversen zusammengeklauten Teilen die perfekte Frau zu schaffen.

Anders als in Society feuern Yuzna und sein Team hier ab der ersten Sekunde aus allen Rohren, was auf Dauer ein bisschen ermüdet, doch das grandios-eklige Scheitern von Wests nekrophilem Traum sollte man sich keineswegs entgehen lassen. Wie auch die Re-Animator-Trilogie (Yuzna arbeitet gerade am dritten Teil Beyond Re-Animator) beruht der Episodenfilm Necronomicon (1994) auf den Erzählungen eines Autors, dessen Begriff vom „unaussprechlichen Grauen“ auch für Yuzna maßgeblich ist: H. P. Lovecraft.

Anders als in der moralisch-psychologischen Welt des Stephen King, in der das Böse metaphorisch, als Initiation für Heranwachsende, eingesetzt wird und sich durch korrektes Verhalten in seine Schranken weisen lässt, ist das Grauen die Grundsubstanz des Lovecraftschen Universums. Das Böse lässt sich bei ihm weder bannen noch austreiben, es manifestiert sich vielmehr in grauenhaften Mutationen. Fügt man dem noch eine Prise Sex hinzu, landet man im polymorph-perversen Reich des Brian Yuzna. Man darf gespannt sein, welche Form es in seinem neuestem Opus Faust (nicht nach Goethe, sondern dem Comic von Daniel Quinn) annimmt. Screaming Mad George und Jeffrey Combs sind natürlich auch wieder mit dabei. Volker Hummel

Necronomicon: Do, 16.15 Uhr; Return of the Living Dead: Fr, 16.15 Uhr; Re-Animator: Mo, 16.15 Uhr; Faust: Mo, 23 Uhr; Bride of Re-Animator: Di, 16.15 Uhr; Society: Mi, 16.15 Uhr, Cinemaxx