Guatemalteken auf den Barrikaden

In dem lateinamerikanischen Land herrscht der Ausnahmezustand. Anlass sind landesweite Proteste gegen eine von Präsident Portillo hastig durchgeboxte Steuererhöhung. Nun sitzt das Staatsoberhaupt in der Klemme

SAN SALVADOR taz ■ In Guatemala geht so gut wie nichts mehr. In der gleichnamigen Hauptstadt und in fast allen größeren Provinzstädten des Landes blockieren brennende Barrikaden die Straßen. Unternehmer streiken, Arbeiter auch. Geschäfte bleiben geschlossen. Täglich gibt es irgendwo Demonstrationen. Die meisten enden in Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär. Mehrere dutzend Menschen sind dabei verletzt worden. Im ganzen Land gilt der Ausnahmezustand. Polizei und Militär können grundlos jeden und jede kontrollieren. Die Bewegungsfreiheit der BürgerInnen ist eingeschränkt.

In der Provinz Totonicapan im Nordwesten des Landes wurde auch das Demonstrationsrecht außer Kraft gesetzt. Nur der rechtspopulistische Präsident Alfonso Portillo will noch nicht wahr haben, dass er mit seinem Latein am Ende ist.

Auslöser der seit der vergangenen Woche anhaltenden Unruhen ist eine von Portillo durch das Parlament geboxte Steuerreform. Der Präsident hatte internationalen Finanzorganisationen versprechen müssen, die extrem niedrige Staatsquote von zehn auf mindestens zwölf Prozent zu erhöhen. Um dies zu schaffen, erhöhte er die Mehrwertsteuer von zehn auf zwölf Prozent und führte zudem eine Reihe weiterer Verbrauchssteuern ein.

Unternehmer, Gewerkschaften und Opposition reagierten gereizt. Nicht ganz zu Unrecht behaupten sie, dasselbe Ziel lasse sich auch mit ein bisschen weniger Korruption im Staatsapparat erreichen.

Die Regierungskrise währt nun schon länger als ein Jahr. Portillo wird dabei nicht nur von der Opposition bedrängt, sondern auch von den Militärs und der eigenen Republikanisch-Guatemaltekischen Front (FRG) in die Zange genommen. Monatelang sagte er Auslandsreisen wegen sich verdichtender Putschgerüchte ab.

Als er es dann Ende April wagte, zum Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten ins kanadische Quebec zu fliegen, setzte sein Vizepräsident Francisco Reyes ohne Rücksprache hohe Regierungsfunktionäre ab. Reyes ist ein Mann des Parteigründers Efraín Ríos Montt, und der wäre am liebsten selbst Präsident.

Der Opportunist Portillo, der innerhalb von 15 Jahren von der militanten Linken über die Christdemokraten bis zur extremen Rechten gewandert ist, war nur deshalb Präsidentschaftskandidat der FRG geworden, weil Ríos Montt nicht durfte. Der hatte sich im Jahr 1982 an die Macht geputscht und in den folgenden 18 Monaten so gewütet, dass inzwischen wegen Völkermords gegen ihn ermittelt wird.

Die guatemaltekische Verfassung verbietet es ehemaligen Putschisten, sich um das höchste Staatsamt zu bewerben. Jetzt will die FRG diesen Artikel mit Hilfe ihrer Parlamentsmehrheit ändern. Portillo wäre dann überflüssig.

Derart eingeklemmt, schlägt der Präsident wild um sich. Er verlängerte den Ausnahmezustand, der eigentlich wegen eines Massenausbruchs aus einem Hochsicherheitsgefängnis verhängt worden war. Wenn Grundrechte außer Kraft gesetzt sind, lassen sich Proteste leichter unterdrücken. Das Militär ist in Alarmbereitschaft, das Kabinett darf die Hauptstadt nicht verlassen.

Sollte das nicht genügen, drohte Portillo, werde er „alle Videos und mitgeschnittenen Telefongespräche herausziehen, und dann wird mir keiner entkommen“. Das Abhören von Telefonen aber ist selbst in Guatemala verboten. Die Opposition reagierte mit der Einleitung eines Verfahrens zur Aufhebung von Portillos Immunität. Der Präsident steckt noch tiefer in der Klemme. Wie lange er es in dieser verqueren Lage noch aushalten wird und mit welchem Ende, ist derzeit nicht absehbar.

TONI KEPPELER