Herbergsgebühren für US-Spione

China will sich die Verköstigung und Beherbergung der im April auf der Insel Hainan notgelandeten Agenten und die Aufbewahrung ihres Flugzeuges mit einer Million Dollar vergüten lassen. Doch die US-Regierung ist knauserig

PEKING taz ■ Wie viel kostet es, US-amerikanische Soldaten zu beherbergen und einen demolierten US-Militärflieger mehrere Wochen auf einer chinesischen Landebahn zu parken? Um diese Frage ist zwischen Washington und Peking ein erbitterter Streit entbrannt.

Anlass ist die Affäre um das US-Spionageflugzeug EP-3, das am 1. April mit einem chinesischen Abfangjäger zusammengestoßen und auf der Insel Hainan notgelandet war. Die 24-köpfige Besatzung war elf Tage lang in einem Gästehaus der Armee festgehalten, verhört und verköstigt worden, bevor sie nach Hause zurückkehren durfte. Nachdem chinesische Militärexperten die havarierte Maschine mit ihren hochgeheimen Abhöranlagen und Computern gründlich inspiziert hatten, durften US-Techniker sie auseinander montieren, in Kisten verpacken und per Frachtflugzeug abtransportieren.

Als die Chinesen Washington anschließend eine Rechnung über eine Million Dollar präsentierten, erhielten sie eine schwere Abfuhr. Sie hätten gar nicht gewusst, höhnten Militärs und Diplomaten in der US-Hauptstadt, dass die Chinesen so viel Sinn für Humor hätten. Stattdessen steckten Beamte des Pentagon letzte Woche einen weitaus bescheideneren Scheck in den Briefkasten – nach inoffiziellen Angaben ausgeschrieben auf 34.576 Dollar. Dies sei, erklärte ein Pentagon-Sprecher, eine „angemessene“ Summe. Die US-Botschaft in Peking werde den Scheck im chinesischen Außenministerium abliefern und dann sei „Schluss damit“.

Da könnte er sich irren, denn Peking scheint die Sache nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Erzürnt über das nach ihrer Ansicht schmale Angebot, erklärte eine Außenamtssprecherin am Wochenende: „Diese so genannte Entscheidung ist unannehmbar.“ Die chinesische Seite erwarte, dass die USA „die vernünftigen Forderungen“ Pekings erfüllten. Da beide Seiten sich weigern, ihre jeweiligen Rechnungen aufzuschlüsseln, bleibt rätselhaft, wer Recht hat. Der Streit um den Scheck, bei dem es den Chinesen auch darum geht, das Gesicht zu wahren, dürfte allerdings kaum das Verhältnis zwischen Washington und Peking beeinträchtigen. Dass Peking an ernsthaften Spannungen mit den Amerikanern nicht interessiert ist, machte Staats-und Parteichef Jiang Zemin deutlich: der New York Times sagte er vergangene Woche, beide Seiten hegten den „positiven Wunsch“ nach guten Beziehungen. Er schmeichelte seinem Amtskollegen, George W. Bush, der im Oktober Peking besuchen wird: Nach dem Klang seiner Stimme am Telefon, sagte Jiang, „ist das ein Präsident, mit dem ich ins Geschäft kommen kann“. JUTTA LIETSCH