Undurchdringliches Motivationsgestöber

■ Dekonstruktion eines Männergenres: McQuarrys „The Way of the Gun“

„Schieb deinen Arsch von meiner Motorhaube!“ Wo dieser rituelle Ruf ertönt, ist eine handfeste Keilerei zwischen Männern meist nicht weit. Die Buddies Parker (Ryan Phillippe) und Longbaugh (Benicio del Toro) sehen in Christopher Mc Quarrys The Way of the Gun mit Freude, dass der langhaarige Disco-Hippie nach seiner voreiligen Anmache gar nicht anders kann, als den Worten Taten folgen zu lassen. Angetrieben von seiner keifenden Freundin, bewegt er sich wie nach einem vor Urzeiten festgelegten biologischen Masterplan über die Straße auf die beiden Motorhauben-Lümmel zu. Doch Parkers erster Schlag landet nicht in der Visage des Widersachers, sondern in der von dessen Freundin, der er nun unter völliger Missachtung aller Regeln die Fresse poliert.

Es ist nur ein minimaler Twist, mit dem Christopher McQuarry seine erste Regiearbeit beginnt, doch er rührt an die Grundfesten des Genres. Dass mann sich so freut über das blutige Frauengesicht, hat ebenso viel mit der in der Szene angelegten Misogynie (Bringt die Schlampe zum Schweigen!) wie mit dem Befreiungseffekt zu tun, den jede Regelverletzung mit sich bringt. Auch wenn sie nichts mit der weiteren Handlung zu tun hat, steht die Eröffnung paradigmatisch für McQuarrys mutiges, wenn auch nicht ganz gelungenes Projekt: die Dekonstruktion eines Männergenres durch Bloßlegung der ihm zugrunde liegenden Regeln.

Der absurde Plot kreist um die Entführung einer schwangeren Leihmutter, mit der die beiden Kleinkriminellen Parker und Longbaugh ans große Geld wollen. Leider ist der Samen spendende Millionär Geldwäscher eines Gangstersyndikats, was zu einigen Schusswechseln führt. Die Simplizität der äußeren Handlung steht ein nahezu undurchdringliches Geflecht von Motivationen, Gefühlen und Loyalitäten bei allen Beteiligten gegenüber, das jede Identifikation seitens der Zuschauer unmöglich macht. In ihrer Mischung aus Ehrenkodex, Habgier und schlichter Grausamkeit ähneln sich alle Männerfiguren bis zum Verwechseln. Sie alle agieren wie der Disco-Hippie vom Anfang, im Rahmen von schal gewordenen Regeln und Ritualen, die sie so oft aufeinander treffen lassen, bis keiner mehr bleibt.

Selbst seinen beiden fürs Heldendasein prädestinierten Desperados verwehrt McQuarry konsequent jede emphatische Einfühlung. Schusswechsel, die meist zur Parteinahme des Publikums dienen, finden außerhalb des Bildes statt oder sind so inszeniert, dass sie überhaupt keine räumliche und zeitliche Orientierung zulassen. Eine „Verfolgungsjagd“ mit rollenden Autos lässt erst gar keine Dynamik aufkommen, sondern zeigt die Widersacher als Teilnehmer in einem undurchschaubaren Ritual der Langsamkeit. Erst ganz am Ende gewährt McQuarry seinen beiden Hauptfiguren und dem Genrefan einen Hauch von Heroic Bloodshed à la Peckinpah oder Woo – doch da hat er den Zuschauer schon längst zur Teilnahmslosigkeit erzogen. Volker Hummel

heute, 23 Uhr, Cinemaxx