elektroschockpistole
: Gesetzlose Helden

Helden fragt keiner mehr, ob sie im Rahmen der Gesetze gehandelt haben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. So fühlt man sich offenbar auch bei der Polizei. Die Elektroschockpistole hat einen Lebensmüden gerettet – nichts anderes zählt. Auch nicht die fehlende Rechtsgrundlage.

Kommentar von DIRK HEMPEL

Stolz berichtet die Polizeipressestelle, der mittels Stromschlag von 50.000 Volt niedergestreckte potenzielle Selbstmörder sei mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen. Und auch die Gewerkschaft der Polizei will von ihrer Auffassung, vor dem Einsatz des Gerätes müsse erst das Gesetz geändert werden, nichts mehr wissen. „Die Berliner Polizei hat noch nie Waffen eingesetzt“, für die es keine Rechtsgrundlage gebe, heißt es jetzt diplomatisch. Helden sind eben unangreifbar.

Taktisch war es durchaus ein schlauer Zug: Die Elektroschockpistole erstmals an einem Lebensmüden zu testen ist mit einem geringen Risiko verbunden. Selbstmörder haben keine Lobby. Wäre es schief gegangen, hätte man sich darauf berufen können, dass der Mann ja ohnehin nicht mehr leben wollte.

Erfolgreich ist, wer sich trotzdem feiert. Mögen amnesty international, Grüne und PDS oder unabhängige Juristen doch die Gesetzlosigkeit der polizeilichen Heldentat geißeln. Es gibt genügend unkritisches Potenzial in der Stadt, das die offizielle Version brav nachbetet: Elektrowaffe rettet Menschenleben.

Würde man dieser Argumentation folgen, man müsste eigentlich innehalten und sich fragen: Was ist das für eine Waffe, die den Sinn und Zweck ins genaue Gegenteil verkehrt? Statt Leben zu beenden, rettet sie dieselben? Das ist haarsträubender Unsinn, nicht mehr und nicht weniger.

Und trotzdem ist die Polizei damit erfolgreich. Das nächste Mal wird man sich auf diesen Präzedenzfall berufen können – und lächelnd erklären: Damals waren uns doch alle dankbar, weil wir ein Leben gerettet haben. Helden brauchen keine Gesetze.