Klage auf Entschädigung

Verband italienischer Zwangsarbeiter klagt in Karlsruhe gegen das Stiftungsgesetz. Der Vorwurf: Deutschland habe einseitig Schadenersatzansprüche ausgeschlossen

MÜNCHEN taz ■ Der italienische Verband der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen (ANRP) hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerde gegen das Gesetz zur Entschädigung früherer NS-Zwangsarbeiter eingelegt. Wie Anwalt Joachim Lau gegenüber der taz erläuterte, soll so geklärt werden, ob Bundesregierung und Bundestag – wie geschehen – einseitig per Gesetz alle Schadenersatzansprüche ausschließen durften.

Zudem will der Verband verhindern, dass die ehemaligen italienischen Kriegsgefangenen wie im Stiftungsgesetz vorgesehen von allen Entschädigungszahlungen ausgeschlossen bleiben. Der ANRP vertritt heute noch etwa 11.000 Mitglieder, die meisten von ihnen sind über 75 Jahre alt.

Historischer Hintergrund der Verfassungsbeschwerde ist die Sonderstellung italienischer Soldaten, die von der deutschen Wehrmacht nach 1943 verhaftet wurden. Wer nicht mit den deutschen Truppen kollaborierte, wurde in Arbeits- und Konzentrationslagern interniert.

Michele Montagano ist einer der Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht. Der ehemalige italienische Offizier hatte sich nach seiner Gefangennahme mit seiner ganzen Kompanie geweigert, für Deutschland zu kämpfen, und war daraufhin in ein Konzentrationslager nach Polen gebracht worden. Er hatte Glück und überlebte. Laut Stiftungsgesetz hätte Montagano keinerlei Ansprüche auf Entschädigung mehr.

Italien, das im Zweiten Weltkrieg 1943 die Seite gewechselt hatte, gilt im Streit um Entschädigungen seit je als Sonderfall. Denn die nach dem Wechsel inhaftierten italienischen Militärangehörigen wurden nicht wie Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention behandelt, erhielten aber auch nicht den Status von Zwangsarbeitern. In einem deutsch-italienischen Abkommen verpflichtete sich die Bundesrepublik 1961 zu einer einmaligen Zahlung von 40 Millionen Mark an „politisch, rassisch oder religiös“ Verfolgte. Rund 15.000 Menschen erhielten danach eine Entschädigung. Als Zwangsarbeiter wurden aber etwa 350.000 Italiener deportiert, Zivilisten und Militärangehörige.

Unter den Beschwerdeführern ist auch Luigi Ferrini. Deutsche Wehrmachtssoldaten hatten den 18-Jährigen im Sommer 1944 vom Bauernhof der Eltern in der Toskana entführt und in ein Arbeitslager nach Deutschland gebracht. Durch die Misshandlungen im Lager erlitt Ferrini schwerste Verletzungen. Eine Entschädigung hat er nie erhalten – er sei weder „aus religiösen, noch rassischen oder weltanschaulichen“ Gründen verfolgt worden. Auch er ginge nach der jetzigen Regelung leer aus.

Heute pflegt der 75-Jährige in einem Dorf südlich von Florenz die Gärten deutscher Ferienhausbesitzer, seine Rente reicht nicht aus. Ferrini glaubt eigentlich nicht mehr daran, noch zu Lebzeiten eine Entschädigung für die erlittenen Torturen zu erhalten. „Natürlich würde ich mich darüber freuen“, sagt er, „schließlich habe ich seit fast 25 Jahren immer wieder bei den Behörden vergeblich angefragt.“

Von den sieben jungen Männern, die mit ihm festgenommen und nach Deutschland entführt wurden, haben nur drei das Kriegsende erlebt. Ferrini selbst wog da noch knapp 30 Kilogramm. Weil sie ihn im Arbeitslager erwischte, als er sich heimlich Essen zu beschaffen versuchte, steckte ihn die SS in ein Sonderlager.

Ferrini ist ein schüchterner Mann, für die Klage entschuldigt er sich. „Ich will ja nichts Unanständiges. Nur eine Art von Anerkennung oder Wiedergutmachung für das, was ich erlitten habe.“ Jetzt muss der Prüfungsausschuss in Karlsruhe klären, ob die Klage überhaupt zulässig ist. MATTHIAS MOLINARI