Konspirative Rauschgiftkriminalität

Die Berliner und Brandenburger Polizei zerschlug mit einem Großaufgebot aus Drogen- und Zollfahndern einen landesweit agierenden Cannabishändlerring. 31 Personen wurden vorläufig festgenommen, etliche Vermögenswerte sichergestellt

Das Vertrauen innerhalb der Gruppe war sehr groß. Es gab mehrere Bandenköpfe, die Hierarchien waren aber sehr flach.

von SILKE KATENKAMP

Rund 550 Beamte der Berliner und Brandenburger Polizei sowie der Zollfahndungsämter Cottbus, Potsdam und Frankfurt (Oder) beschlagnahmten am Dienstagmorgen an über 60 Stellen in Berlin und Brandenburg große Mengen Marihuana, den überwiegenden Teil in Wohnungen in Kreuzberg, Moabit und Schöneberg. In dem nach eigenen Angaben bundesweit einmaligen Fall von Rauschgiftkriminalität hat die Polizei damit einen über Jahre agierenden Drogenhändlerring im Kern zerschlagen.

Rund 31 Personen wurden vorläufig festgenommen. Dabei handelt es sich mit einer Ausnahme ausschließlich um Deutsche aus dem Berliner Raum im Alter von 24 bis 61 Jahren, darunter fünf Frauen. Den zum Teil vorbestraften Tätern wird vorgeworfen, seit November 1996 rund 33 Millionen Mark in Gulden getauscht und damit in den Niederlanden über fünf Tonnen Cannabisprodukte erworben und nach Deutschland geschmuggelt zu haben, teilte Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern mit. Ein Teil der Täter soll zudem Geld gewaschen und Cannabis in illegalen Plantagen angebaut und vertrieben haben. Sechzehn Personen wurden bereits in Untersuchungshaft gebracht. „Ein Ende der Ermittlungen ist noch nicht abzusehen“, sagte der Polizeipräsident. Jetzt müssten noch die kleineren Dealer und die Vertriebswege des Rings aufgedeckt werden.

Nach ihren bisherigen Erkenntnissen geht die Polizei davon aus, dass es sich bei den Tätern um eine Gruppe handelt, die sich bereits vor 15 Jahren mit dem Ziel des Rauschgiftschmuggels und -handels zusammenschloss. „Wir schließen bisher auf 50 Täter“, so Saberschinsky. Der Polizeipräsident sprach von einer „ungewöhnlichen“ Struktur des Händlerrings. „Das Vertrauen innerhalb der Gruppe war sehr groß.“ So habe es mehrere Bandenköpfe gegeben, die Hierarchien waren aber sehr flach. Der Ring sei mit krimineller Intensität und sehr konspirativ vorgegangen. Ein Teil der illegalen Händler oder Cannabiszüchter habe fast ausschließlich vom „Geschäft“ gelebt. In speziell präparierten Autos wurde das Cannabis dann über die deutsch-niederländische Grenze gebracht.

Seit Juli 1999 wird gegen bestimmte Personen ermittelt, die seit Januar 1997 in Nordrhein-Westfalen regelmäßig Geldbeträge in Höhe von rund 150.000 Mark in niederländische Gulden getauscht hatten, wobei sich die Gesamtsumme auf bis zu 18 Millionen Mark belaufen haben soll. Im Dezember 1999 wurden Wechselgeschäfte durch einen der bereits ermittelten Tatverdächtigen in Berlin festgestellt, die Ermittlungen dann hier weitergeführt.

Am 21. April dieses Jahres konnte die Polizei bereits in der Richardstraße in Neukölln eine „Indoor-Plantage“ mit aufwendiger Ausstattung und rund 1.000 Cannabispflanzen sicherstellen. Dabei wurden vier Tatverdächtige festgenommen, die Haftbefehle erhielten. Die Plantage wurde seit mindestens zwei Jahren betrieben und brachte einen Umsatz von über 1 Million Mark. Vergangenen Donnerstag fand die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung in der Bülowstraße in Schöneberg rund dreißig Kilogramm Marihuana. Beschlagnahmt wurden auch Vermögenswerte von rund 650.000 Mark in Form von Bargeld, Versicherungsgeldern und Immobilien. Was mit dem restlichen Gewinn des Cannabishändlerrings geschehen ist, ist bislang ungeklärt.