merkel und die alte cdu
: Recht haben reicht nicht

Wenn es für die CDU nicht so tragisch wäre, dann hätte Angela Merkel jetzt Anlass zur Schadenfreude. Die Berliner Parteifreunde hatten gegen ihren Willen und mit medialer Unterstützung Helmut Kohls den Lokalpolitiker Frank Steffel zum Spitzenkandidaten in der Hauptstadt gemacht. Auch die örtlichen PR-Berater hatten zugeraten: Als völlig unbeschriebenes Blatt schien Steffel ideal für einen amerikanisierten Wahlkampf. Sein Bild ließe sich nach Belieben formen, ganz nach den demoskopischen Anforderungen: mal Hardliner bei der Inneren Sicherheit, mal liberaler Großstadtpolitiker, der Homoehe oder das multikulturelle Berlin unterstützt.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Aber einen Politiker ohne Vergangenheit gibt es nicht, wie die Debatte über rassistische Sprüche des jungen Steffel in dieser Woche zeigt. Auch dies hätten seine Berater bei ihrem Blick auf die andere Seite des Atlantiks lernen können, wo sich ein Präsident schon mal für einen Joint rechtfertigen muss. Umso schwieriger wird es bei einem Kandidaten, bei dem das taktische Gerede über schwarz-grüne Koalitionen und die Herkunft vom rechten Parteiflügel so krass aufeinander prallen wie in Steffels Fall. Programm und Person müssen schon einigermaßen zueinander passen.

Das muss zur Zeit auch die Bundespartei erfahren, die verzweifelt die Konfrontation mit der Regierung sucht und damit von einem Desaster ins nächste schlittert – von der Abstimmungsniederlage bei der Steuerreform vor mehr als einem Jahr bis zum absehbaren Triumph des Kanzlers in der Mazedonienfrage. Auch hier liegt das Problem in einem Mangel an Glaubwürdigkeit: Die CDU kann nicht jahrzehntelang niedrige Steuern oder außenpolitische Verlässlichkeit predigen – und dann beides unter windigen Vorwänden torpedieren, um sich gegen Schröder zu profilieren. Da machen am Ende nicht einmal die eigenen Abgeordneten mit.

Wie in der Berliner Kandidatenfrage, so war die CDU-Chefin auch beim Thema Mazedonien vom Kamikazekurs nicht überzeugt. Sie hat ihn sich vom früheren Verteidigungsminister Volker Rühe aufzwingen lassen, wie sie sich den Kandidaten Steffel aufzwingen ließ. In beiden Fällen hat Merkel Recht behalten: Die rein mediale Inszenierung eines Kandidaten oder eines Konflikts hat auch in der Mediendemokratie keinen Erfolg. Das ist eine beruhigende Erkenntnis – gerade für eine Vorsitzende, die ihre bessere Einsicht in der eigenen Partei nicht durchsetzen konnte.

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