Durchdachte Beiläufigkeit

Klavier, Kalimba, Vibrafon, Gitarre, Zieharmonika und noch mehr: Der Instrumentensammler F. S. Blumm erarbeitet sich auf seinem Album „Mondkuchen“ Musik, die man mit nichts vergleichen kann

von ANDREAS HARTMANN

Überall in der Friedrichshainer Wohnung von Frank Schültge aka F. S. Blumm sind Instrumente verteilt. Große, kleine, gebräuchliche, exotische, handliche und sperrige. In einem Zimmer kann man auf einem alten DDR- Toypiano spielen wie Schröder aus den „Peanuts“ und im „Musikzimmer“ hängt eine Mbira, ein niedliches Zupfinstrument, das unter Frank Schültges Händen glockenspielartigen Wohlklang verströmt, während sich in der „Instrumentenkammer“ die richtig seltsamen Tonerzeuger befinden. Darunter allerlei Orffscher Spielkram und als krönendes Kuriosum eine Art Windpfeife, die man an einem Faden schwingen muss, um ihr ein lebhaftes Vogelzwitschern zu entlocken.

Die Wohnung von Frank Schültge ist ein wundersamer Tonspielplatz. Wie auch seine aktuelle Platte „Mondkuchen“. Auf dieser tummeln sich ein Klavier, eine Kalimba, ein Vibrafon, Gitarre, Zieharmonika und noch viel mehr. Das meiste von Frank Schültge selbst eingespielt, der das Sammelsurium mit einem Mehrspurgerät zu stimmig repetitiven und ostinaten Klangströmen verschmolzen hat. Die Musik von F. S. Blumm klingt sehr eigen, seine Herangehensweise wirkt nie angestregt und lässt immer einem charmanten Poptouch Raum. Sein Prinzip der Phasenverschiebung erinnert sowohl an den klassischen Minimalismus eines Steve Reich als auch an aktuelle Minimalelektronik und ist doch wieder ganz anders. F. S. Blumm gelingt, was kaum noch für möglich gehalten wird: Er erarbeitet sich eine Musik, die man nur vergleichen kann, die aber wie nichts Vergleichbares klingt. Neue Musik, neue Elektronik, solche Begrifflichkeiten lässt er hinter sich.

Der Weg hin zu „Mondkuchen“ ist ein langer und zeichnet sich, so findet Frank Schültge, durch „ein Größer-, Weiter-, Breiterwerden“ aus. Am Anfang stand der totale Minimalismus. „Auf der ersten F.-S.-Blumm-Single ,Esst Obst‘ befanden sich 17 Stücke, die teilweise 10 Sekunden lang waren und die mit Geräusch- und Spielzeuginstrumenten eingespielt wurden.“ Darauf folgte das nächstgrößere Format, die EP „Bettvanille weiter“, und jetzt die Langspielplatte. Nebenbei entstanden Produktionen zusammen mit dem Kölner Eigenbrötler-Musikanten Harald „Sack“ Ziegler als Sack & Blumm und jede Menge Hörspiele, die gelegentlich Preisgelder abwerfen, von denen Frank Schültge sogar, wie er sagt, seine Familie ernähren kann.

Der Minimalismus als die Idee der Reduktion und des Eliminierens von Unnötigem ist für Frank Schültge, obwohl seine Stücke inzwischen einen „längeren Atem“ haben, das Grundgerüst seiner Arbeit geblieben. Als prägenden Einfluss nennt er die Platte „Miniatures“, für die Morgan Fisher Künstler wie Michael Nyman und die Residents verpflichtete, Stücke zu liefern, die nicht länger als eine Minute gehen sollten. Auch seine konkreteren musikalischen Referenzen sind sämtlich Pioniere der prägnanten Klangmalerei. „Bei der Gitarre reicht das von Villa-Lobos bis hin zu David Grubbs, bei der Harmonica von Augustus Pablo bis Arvo Pärt, bei der Mbira von Stella Rambisai Chiweshe bis Mice Parade.“ Wer reduziert arbeitet, kann sich überhaupt keine Belanglosigkeiten leisten, alles muss durch und durch reflektiert sein.

Die große Kunst von F. S. Blumm besteht nun darin, eine Art durchdachte Beiläufigkeit entstehen zu lassen. Auch seltsame Komposita wie der Songtitel „Neumontag“ oder der Name der Platte „Mondkuchen“ sollen nicht nur seltsam sein, weil die Musik seltsam ist, sondern bewusst eine „Zwischenstimmung“ erzeugen. „Wie in der Kunst. Durch die Kombination von Sachen, die nichts miteinander zu tun haben, entsteht etwas Neues. Wenn Meret Oppenheim eine Tasse mit Fell beklebt, musst du eben an ein Tier denken. Genauso muss ,Mondkuchen‘ etwas mit dem Bild auf dem Cover zu tun haben.“ Mit den lila bis lachsrosa eingefärbten schneebedeckten Bergen hinter vier horizontal verlaufenden Stromkabeln. Wie Kandinsky mit „Der gelbe Klang“ versucht F. S. Blumm die synästhetische Darstellung von Musik. „Mein Cover als Klangfarbe.“ Das Cover evoziert Melancholie und das Erträumen einer romantischen Welt.

F. S. Blumm: Mondkuchen (Morr Music)