Polizei untersucht sich selbst

Aktion Noteingang erstattet nach der umstrittenen Hausräumung in Potsdam am Samstag Anzeige gegen den Einsatzleiter. Polizei räumt ein: Auch Hertha-Fans haben zuvor mit Steinen geworfen

von CHRISTIAN TERIETE

Die „Aktion Noteingang“ erhebt schwere Vorwürfe gegen die Potsdamer Polizei. Am Donnerstag erstattete die brandenburgische Initiative Anzeige gegen den Einsatzleiter, der für den Polizeieinsatz im Anschluss an das Pokalspiel Babelsberg 03 gegen Hertha BSC Berlin am vergangenen Sonnabend verantwortlich ist. Vor einem Besetzerhaus in der Rudolf-Breitscheid-Straße war es nach Spielende zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hausbewohnern und Hertha-Anhängern gekommen. Das Haus war anschließend von der Polizei geräumt worden.

Die Vorwürfe der Initiative sind umfangreich: Die als rechtsradikal einzustufenden Hooligans hätten zur Ermordung der Hausbewohner aufgerufen, verfassungsfeindliche Symbole getragen und schweren Landfriedensbruch begangen. Trotzdem sei die Polizei weder rechtzeitig noch ausreichend eingeschritten. „Noteingang“ wirft dem Einsatzleiter deshalb unterlassene Hilfeleistung und Beihilfe zu diversen Straftaten vor. Auch die spätere Räumung des Hauses und die Festnahme der Bewohner kritisiert die Initiative. In der Anzeige heißt es, Polizisten hätten die gefesselt am Boden liegenden Bewohner „mehrfach geschlagen“, außerdem „getreten“ und mit Formulierungen wie „Leg dich hin, du Schlampe“ oder „Zecke“ beschimpft.

Bereits am Tag nach dem Spiel war in Potsdam öffentliche Kritik an der Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes laut geworden. Daraufhin hatte der Potsdamer Polizeipräsident Detlef von Schwerin am Dienstag eine Untersuchungsgruppe eingesetzt. Die stellte gestern ein erstes Zwischenergebnis ihrer Ermittlungen vor. Zu den Vorwürfen der „Aktion Noteingang“ wollte von Schwerin noch keine endgültige Stellungnahme abgeben. Falls es aber die genannten Entgleisungen von Seiten der Beamten gegeben habe, könne man solche Ausfälle nicht dulden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte gestern, die Anzeige gegen den Einsatzleiter sei eingegangen und werde derzeit geprüft.

Mittlerweile ermittelt die Polizei auch gegen Berliner Hooligans. Die gewaltbereiten Hertha-Fans hätten Steine gegen ein besetztes Haus in Potsdam-Babelsberg geworfen, räumte der Polizeipräsident ein. Das habe man bei der Auswertung von Videos erkennen können, die die Polizei selbst und die Hausbesetzer während der Krawalle drehten. Bisher war die Polizei davon ausgegangen, dass die Besetzer die zum Bahnhof gehenden Fans angriffen, und hatte nur gegen diese ermittelt. Nach der Videoauswertung wurden die Ermittlungen auf die Hertha-Anhänger ausgeweitet.

Allerdings schreibt die Polizei den Großteil der Schuld weiterhin den Hausbesetzern zu. „Wenn die Besetzer die Fans nicht provoziert hätten, wäre die Situation nicht eskaliert“, sagte von Schwerin. Aus den Videos gehe hervor, dass diese vorbeiziehende Fußballfans verbal und mit Wasserspritzen provoziert hätten. Zeugen hätten zudem ausgesagt, dass nicht nur die Hooligans, sondern auch die Hausbewohner mit Steinen geworfen hätten. Es sei aber noch immer nicht geklärt, wer den sprichwörtlichen ersten Stein geworfen habe, so von Schwerin. Nach bisherigem Erkenntnisstand halte er den Polizeieinsatz und die Räumung für verhältnismäßig.