Generationswechsel mit großem Risiko

Der unpopuläre Ad Melkert will Parteichef und Spitzenkandidat der niederländischen Sozialdemokraten werden

BERLIN taz ■ Mit seiner Ankündigung, Hollands Ministerpräsidenten Wim Kok als Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der sozialdemokratischen PvdA beerben zu wollen, hat Koks „Kronprinz“ Ad Melkert (46) am Donnerstagabend das Signal zum Wahlkampf im Königreich gegeben. Zwar hat der Parteikongress im Dezember bei der Nominierung des Kandidaten für die Parlamentswahlen am 15. Mai 2002 das letzte Wort. Längst aber hat sich PvdA-Fraktionschef Melkert, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Konkurrenz, zum unumstrittenen Nachfolger des erfolgreichen Kok gemausert –zumindest in den eigenen Reihen.

Beim Wahlvolk dürfte Ad Melkert, der viel machtpolititischer agiert als der stets um Konsens bemühte Wim Kok, es da schon schwerer haben. Mit dem kantigen Intellektuellen, der 1986 zunächst für die radikaldemokratische PPR ins Parlament einzog, bevor er ins PvdA-Lager wechselte, setzen die Sozialdemokraten zwar auf die Fortführung dessen, was die Regierung Kok zwischen 1994 und 2002 auf der Habenseite wird verbuchen können. Aber Melkert fehlt ganz entschieden das Charisma Wim Koks, der wegen des Erfolgs seiner Koalitionsregierung („Jobwunder“) 1998 viele Unentschiedene für die Partei gewinnen konnte.

Ein „Premier-Bonus“, der die Parteispitze in den letzten Wochen hat zweifeln lassen, ob ein Verzicht Koks zugunsten des Parteilinken Melkert klug sei. In Zeiten, da Hollands Wirtschaftswachstum rückläufig, die Inflationsrate die höchste in der EU ist und viele Probleme, wie Gesundheitssystem, Bildungswesen und Sicherheit die nächste Regierung beschäftigen werden, ist der „überfällige Generationswechsel“ (Kok) für die Sozialdemokraten nicht ohne Risiko.

Der rechtsliberale Koalitionspartner VVD hat zurzeit nur 7 Sitze weniger (38) im Parlament als die PvdA (45). Das stimmt den designierten VVD-Spitzenkandidaten Hans Dijkstal für den Ausgang der Wahlen 2002 „nicht pessimistisch“. Die meisten Parteien hoffen recht unverhohlen auf einen „Melkert-Malus“, einen Stimmenverlust aufgrund der geringen Popularität des Fraktionsvorsitzenden. Auch in den eigenen Reihen herrschen Zweifel: Eine Blitzumfrage unter PvdA-Mitgliedern ergab, dass 42 Prozent die eigene Partei mit Melkert an der Spitze schon als Verlierer sehen.

Der Ungeliebte hat noch Zeit, an Popularität zu gewinnen. Und Wim Kok wird seinem Zögling dabei zu helfen wissen, sich vom „linken Agitator“ zum Staatsmann zu wandeln. HENK RAIJER