Lücken finden, Vermögen sichern

Eine neue Dienstleistung aus den USA fasst langsam auch in Deutschland Fuß: Die persönliche Finanzplanung mit Experten. Die umfassende finanzielle Analyse von privaten Haushalten legt oft gravierende Deckungslücken bei der Vorsorge zutage

Ein Chaos verschiedener Anlagen, keine geplante Risikostruktur, keine Steuerstrategie und furchterregende Deckungslücken in Sachen Vorsorge, noch dazu ungeordnete und nicht vollständige Unterlagen: So sieht die finanzielle Situation vieler aus. Gleichzeitig befindet sich die Finanzdienstleistungsbranche in einem nicht minder undurchsichtigen und von dramatischen Umbrüchen gekennzeichneten Zustand. Versicherungskonzerne kaufen Banken, Banken verkaufen Versicherungsprodukte. Und Versicherer bieten Finanzierungen.

Und spätestens seit der Rentenreform drängt sich die Frage nach einer vernünftigen privaten Altersvorsorge auf; ebenso wie nach dem ersten kräftigen Aktiencrash im Aktien-Entwicklungsland Deutschland seit dem Sommer 2000 auch die Frage nach einer vernünftigen Strukturierung vorhandener Vermögen. In diesem Dschungel bietet eine neue Dienstleistung Orientierung und Hilfestellung: „Financial Planning“. Die Idee, private Haushalte wie Unternehmen zu betrachten und ihre finanzielle Situation mit aus der Betriebswirtschaft entlehnten Instrumenten zu optimieren, stammt aus den USA und ist dort eine milliardenschwere Branche.

Das Konzept bringt schrittweise Ordnung und Ziele in die privaten Finanzen. In einem ersten Schritt werden sämtliche relevanten Daten aufgenommen und analysiert. Erstellt wird eine private Bilanz, die sämtliche Vermögenswerte und Kredite enthält, eine private Gewinn- und Verlustrechnung, in der alle Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden sowie eine Risikoanalyse hinsichtlich Krankheit, Berufsunfähigkeit, Unfall und Tod. Außerdem werden die Anlagementalität des Klienten, seine persönliche Situation und Anlageziele untersucht. Auf der Grundlage dieser Analysen wird unter Beachtung aller Risikoaspekte und Zielvorgaben ein persönlicher Finanzplan erarbeitet mit detaillierten Planungen bezüglich Steuer, Vermögen, Altersvorsorge, Liquidität, Versicherung und Versorgung, möglicherweise auch Unternehmensnachfolge oder Erbschaft.

Erst im nächsten Schritt werden konkrete Empfehlungen für die Umsetzung gegeben. Ein regelmäßiges Controlling mit Berichterstattung und ein regelmäßiges Update, das die Planung an möglicherweise veränderte Bedingungen anpasst, rundet die Dienstleistung ab.

Ein Versuch, diese neue Dienstleistung mit der Durchsetzung internationaler Qualitätsstandards und einem verbindlichen neuen Berufsbild zu verbinden, ist das internationale Qualitätssiegel CFP - Certified Financial Planner. Das Siegel wird von einem internationalen Netzwerk mit über 60.000 Mitgliedern verliehen und kontrolliert und stellt sehr hohe Anforderungen bezogen auf die Qualifikation, aber auch auf ethische Normen. In Deutschland wurde 1997 der Deutsche Verband Financial Planners (DEVFP) gegründet, der die Lizenzen für Deutschland vergibt. Der Verband überwacht auch die Einhaltung bestimmter Regeln und sanktioniert gegebenenfalls Übertretungen. Diese betreffen die Professionalität der Arbeit (Vollständigkeit, Vernetzung, Individualität, Richtigkeit, Verständlichkeit, Dokumentationspflicht) und ethische Grundsätze (Objektivität, Vertraulichkeit, Neutralität). Fundierte Ausbildungen bieten auch die Europäische Akademie für Finanzplanung und die Hochschule für Bankwirtschaft. Zunehmend bilden auch Unis und Fachhochschulen mit dem Schwerpunkt Financial Planning im Rahmen ihrer BWL-Studiengänge aus.

Anbieter von Financial Planning konzentrieren sich zurzeit auf die klassischen Private-Banking-Kunden. Das hat mehr mit der Höhe der Honorare zu tun (in der Regel eher fünf- als vierstellig), als damit, dass diese Dienstleistung nicht auch für Haushalte mit kleineren Einkommen und Vermögen notwendig wäre. So genannte kleine Finanzpläne oder Risiko-Vorsorge-Checks sind sinnvoll für die private finanzielle Lebensplanung auch von Normalverdienern. Sie enthalten Rendite, Steuerplanung, Altersvorsorgeplanung, Risikoabsicherung und natürlich Übersichten zu Einkommen und Vermögen. Nicht zu verwechseln ist diese Dienstleistung mit standardisierten, Computer gestützten Auswertungen, wie sie viele Allfinanzberatungsvertriebe bieten und die in erster Linie als Verkaufsunterstützung dienen.

Zwei Nachteile für Klienten sind es vor allem, die den durchschlagenden Erfolg der Dienstleistung noch behindern. Einerseits ist das erforderliche Vertrauensverhältnis, die eigene finanzielle Situation vollständig gegenüber dem Planer offen zu legen, für viele ungewohnt. Und während es völlig selbstverständlich ist, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Unternehmensberatern für ihre Dienstleistung angemessen zu entlohnen, sind Honorare bei Finanzdienstleistungen nicht üblich.

Beides wird sich ändern. Und man kann davon ausgehen, dass in einigen Jahren jeder und jede ebenso selbstverständlich seine finanziellen Angelegenheiten einem Experten anvertraut, wie heute schon die Steuererklärung. Die Vorteile des Financial Planning für Klienten liegen auf der Hand. Zunächst einmal ist es für die meisten Menschen beruhigend, ihre Finanzen in Ordnung gebracht zu wissen und eine Übersicht über die finanzielle Situation zu haben. Darüber hinaus können Deckungslücken zum Beispiel in der Altersvorsorge erkannt und frühzeitig behoben werden. Das eigene Vermögen wird unter Berücksichtigung von Anlagezielen und Risikoprofil sinnvoll strukturiert, unter Umständen auch umstrukturiert, denn viel zu häufig sind beispielsweise bei ererbten Vermögen Immobilien übergewichtet und die Chancen von Aktienanlagen zu wenig beachtet, was langfristig empfindliche Renditeeinbußen zur Folge hat.

BIRGIT BOSOLD

Die Autorin ist Finanzplanerin im Berliner Unternehmen „Das Finanzkontor“, Tel. (030) 21 47 47 90