Zwischenlager auf dem Prüfstand

Bei der Genehmigung der atomaren Zwischenlager stellen sich nicht nur Umweltschützer quer. Auch die Behörden denken nun über mehr Sicherheit nach

von K. WITTMANN und B. PÖTTER

Nach den Terroranschlägen in den USA denken die deutschen Behörden über eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen bei Atomanlagen nach. Vor allem die geplanten atomaren Zwischenlager an den Atomkraftwerken sollen offenbar auf den Prüfstand. Ein Vertreter des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sagte gegenüber der taz, man müsse darüber nachdenken, ob die bisherigen Regeln ausreichten „oder ob man nicht weit höhere Sicherheitsstandards anlegen muss“. Auch die Reaktorsicherheitskommission (RSK) überlegt, an den Atomanlagen „das eine oder andere technisch zu verbessern“, wie ihr Vorsitzender Lothar Hahn im taz-Interview sagte (siehe unten). Nach Angaben aus Behördenkreisen stand das Thema Sicherheit der Atomanlagen auch bei der geheimen Sitzung des Bundessicherheitsrates am Donnerstag auf der Tagesordnung.

An den 19 deutschen AKWs entstehen derzeit Zwischenlager, die ab 2005 die umstrittenen Transporte der abgebrannten Brennstäbe überflüssig machen sollen. Die Lager werden bisher als normale Mehrzweckhallen für die Castorbehälter geplant. Die Sicherheit dieser Lösung wird von den Einwendern angezweifelt – nach den Flugzeugattentaten von New York und Washington umso mehr. Das komplette Szenario müsse völlig neu überdacht werden, fordern Bund Naturschutz und „Energiewende atomkraftfreies Schwaben“. Und auch Lothar Hahn, der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission des Bundes (RSK), mahnt die Politik, sich intensiv Gedanken über eine mögliche Bedrohung von Atomanlagen durch Terroranschläge zu machen. „Wir haben diesen Fall noch nicht durchgerechnet“, meinte er zu der Frage, was denn mit den Castorbehältern in einem möglicherweise tagelangen Kerosinfeuer passieren würde.

Raimund Kamm, Sprecher der „Energiewende“, die vor allem gegen das größte aller geplanten Zwischenlager im schwäbischen Gundremmingen zu Felde zieht, warnt vor den Folgen, wenn ein „Langstreckenairbus mit bis zu 350 Tonnen Kerosin“ auf eine Atomanlage stürzen sollte – denn bisher wurden die Anlagen nur für den Absturz eines Militärflugzeugs mit sechs Tonnen an Bord ausgelegt. Beim Kraftwerksbetreiber RWE dagegen schätzt man die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeuganschlags auf eine deutsches Kernkraftwerk als sehr gering ein. „Gegen Terrorattentate gibt es niemals hundertprozentige Sicherheit“, sagte Sprecherin Stephanie Schunck. Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) forderte, dass die Betreiber der AKWs ihre Bauanträge zurückziehen müssten. Ansonsten sei der Staat gefordert, das Genehmigungsverfahren abzubrechen. „Diese Zwischenlager sind gegen gezielte Terrorakte nicht gesichert, dadurch sind wir erpressbar“, sagte der BN-Landesbeauftragte Hubert Weiger beim Erörterungstermin im niederbayerischen Wörth.

Auch beim BfS hat man die neue Situation erkannt. „Ich glaube, dass hier der Gesetzgeber gefordert ist“, sagt Volker Schäfer, der die Anhörungsverfahren betreut. Das BfS habe keinen Interpretationsspielraum im Genehmigungsverfahren. Aber in den letzten Tagen sei deutlich geworden, dass auf der Welt ein weit größeres Gefährdungspotenzial vorhanden sei, als bislang angenommen.

Auf die Gefährdung der Zwischenlager hatte bereits im Dezember 2000 der Sprecher des Energiepolitischen Ratschlags der Grünen, Hartwig Berger, hingewiesen. In Schreiben an Bundesumweltminister Trittin und das Bundesamt für Strahlenschutz hatte Berger extra auf die Gefahren durch Flugzeugabstürze und Terrorangriffe hingewiesen. In einer Anwort hatte BfS-Präsident Wolfram König geschrieben, dass „selbstverständlich auch alle wahrscheinlichen Risiken von den Antragstellern (Stromkonzernen, die Red.) berücksichtigt werden; darunter auch Flugzeugabstürze und terroristische Anschläge“. Im Genehmigungsverfahren, das derzeit läuft, sollten alle diese Aspekte geprüft werden.

Für Berger ist das keine Beruhigung. Immerhin sei das erste Zwischenlager am AKW Lingen nicht absturzsicher genehmigt worden. „Ein sicheres Zwischenlager müsste trotz der Castoren entweder eine zwei Meter dicke Betondecke haben oder unterirdisch sein“, sagt Berger. Ein mögliches Problem dabei: Verzögert sich durch eine neue Sicherheitsdebatte der Bau der Zwischenlager, könnten die ungeliebten Atomtransporte auch nach 2005 noch rollen. Rot-Grün würde ein großes Problem nicht los.