Dunsthauch der Darmentleerung

■ US-Autor Donald Antrim liest im Literaturhaus

Platsch. Es gibt Geräusche, die nicht für die Ohren anderer Menschen bestimmt sind. Das Grummeln des Magen-Darm-Trakts beispielsweise, dass während eines seltenen Moments der Stille im Kino oder Theater auch den Zuschauer in der letzten Reihe an die Mysterien der Verdauung erinnert. Platsch. Der jede Konversation zum Stillstand bringende Furz, der inmitten einer Abendgesellschaft dem Schließmuskel entwischt. Platsch.

Und dann natürlich die Königin unter den akustischen Verlautbarungen des Körpers, „das unromantische, demütigende Geräusch von auf Wasser auftreffender Scheiße“, das Tom, der Erzähler von Donald Antrims Roman Ein Ego kommt selten allein, mit einem Schwall pseudopsychologischen Geplappers übertönen möchte. Warum muss seine Frau auch ausgerechnet in dem Moment ein Gespräch über ihr gemeinsames Sexualleben beginnen, als Tom die ersten Regungen von etwas spürt, „was sich anfühlte wie ein Riesen-Schiss im Anmarsch“? Mit jener Offenheit, die Tom damals, auf die Kloschüssel gekauert, nicht aufbrachte, erinnert er sich jetzt an diese Szene.

Alles eine Frage der Perspektive, könnte man sagen, schließlich schwebt Tom fast während der gesamten Zeit seiner Erzählung unterhalb der Decke eines Pfannkuchen-Restaurants. Von dort herab lässt es sich nun mal ungzwungener plaudern als auf der heimischen Toilette. Wer von der Decke herabhängende Erzählerfiguren nicht leiden kann, sollte dieses Buch gar nicht erst zur Hand nehmen. Denn was als Bericht vom halbjährlichen Pfannkuchenessen der Psychologen eines College an der amerikanischen Ostküste beginnt, entwi-ckelt sich bald zu einer jener Übungen in literarischem Nonsens, für den Donald Antrim in den USA mittlerweile berühmt ist.

In seinem letzten Roman The Hundred Brothers ließ er 99 Brüder (der hundertste taucht merkwürdigerweise nicht auf) zu einem gemeinsamen Abendessen antreten, und in seinem Debüt Die Beschießung des Botanischen Gartens erlebten die Folterpraktiken der Inquisition in einer Kleinstadt eine neue Blüte.

In seinem neuem Roman nimmt Antrim sich der Pathologien professioneller Psychologen an, die hinter jedem Satz eines Kollegen eine Geschwistermord-Phantasie erahnen. Schon bald erweist sich der Erzähler selbst als ein Bündel von Neurosen und infantilen Neigungen. Ein Rosinen-Zimt-Toast, das er einem Therapeuten an den Kopf schmeißen möchte, wird ihm zum Verhängnis. Fortan befindet er sich in der Umklammerung eines Kollegen, aus der er schließlich an die Decke flüchtet. Wer ihm dahin folgt, darf sich auf Einblicke wie diesen freuen: „Tatsächlich ist ein Großteil der antisozialen Pathologien eine Folge der Neigung, die unangenehmsten Aspekte unserer selbst in anderen ausfindig machen zu wollen...“ Platsch.

Volker Hummel

Donald Antrim: Ein Ego kommt selten allein Residenz Verlag, 224 S., 39,90 Mark

Lesung: 20.9., 20 Uhr, Literaturhaus