Und sie verstehen sich doch

■ Eine israelische Jüdin und eine Palästinenserin leiten gemeinsam einen pädagogischen Workshop im Bremer LidiceHaus – vorausgesetzt, es kommt kein Krieg dazwischen.

Man könnte meinen, dass sie sich hassen müssten: Miriam Dagan und Farhat Agbearea, die eine Israelin jüdischen Glaubens, die andere Moslem, zwar im Pass auch Israelin, jedoch eigentlich Palästinenserin. Aber sie hassen sich nicht. Dagan und Agbearea sind zwei der wenigen aus den verfeindeten Lagern, die trotzdem zusammenarbeiten. Eines verbindet sie nämlich doch: Sie sind beide Pädagoginnen.

Das jüdisch-palästinensische Team wird vom 26. bis 28. September und vom 1. bis 3. Oktober i Bremen den Workshop „Miteinander: begegnen, verstehen, handeln“ leiten. Es ist eine Fortbildung für Lehrer, Sozialarbeiter und alle, die mit Jugendlichen Kontakt haben. Eine Fortbildung für alle, die in sozialen Feldern arbeiten und dabei an ihre Grenzen gestoßen sind.

Wie geht man zum Beispiel mit rivalisierenden Gruppen um, wie bringt man sie wieder zusammen? „Anhand von persönlichen Erfahrungen und Fallbeispielen sollen Lösungsmethoden erarbeitet werden“, erklärt Annette Klasing von der Bremer Jugendbildungsstätte LidiceHaus, die den Workshop organisiert hat. „Fragestellungen sind zum Beispiel, was passiert, wenn die Rechte von Minderheiten nicht wahrgenommen werden, wenn eine Mehrheitsgruppierung bestimmt. Ist das noch Demokratie?“

Klasing hat in Israel solche Kurse auch schon selbst geleitet. Dass sich jetzt auch Bremer Pädagogen und Sozialarbeiter mit dem Thema auseinandersetzen, ist eine Premiere. Eine notwendige Premiere, wie Klasing aus eigenen Erfahrungen schließt: „Einmal hat mir eine Jugendbetreuerin aus Bremen-Nord von ihren Problemen erzählt.“ Dort seien die Konflikte zwischen rivalisierenden Jugendgruppen sehr präsent. „Da sagt die eine Gruppe: „Wenn die anderen hierher kommen, dann seid ihr uns los.'“

Für Miriam Dagan und Farhat Agbearea ist der Umgang mit rivalisierenden Gruppen Alltag. Beide kommen aus der israelischen Stadt Hadera, etwa drei Kilometer entfernt von der Westbank, der so genannten grünen Linie. In Israel herrscht eine kriegsähnliche Situation, es gibt kaum noch Palästinenser und Israelis, die miteinander kooperieren. Jugendarbeit in Israel könne nur in getrennten Gruppen geleistet werden, so Klasing. Agbearea leitet palästinensische, Dagan jüdische Jugendgruppen, wobei sie sich beide zum Ziel gesetzt haben, deutlich zu machen, dass Palästinenser eben nicht durch die Bank Terroristen sind.

Annette Klasing war aufgrund der sich zuspitzenden Situation im Nahen Osten sehr besorgt, ob die Fortbildung überhaupt stattfinden kann. „Das LidiceHaus hatte ursprünglich auch ein Frauenprojekt geplant, in Zusammenarbeit mit einer israelischen und einer palästinensischen Institution. Die Kooperation zwischen den beiden wurde aber eingestellt.“ Somit starb auch das internationale Frauenprojekt.

Sollten die USA sich bis zum Beginn des Workshops entschließen, mit Waffengewalt auf die Terroranschläge in New York zu reagieren, wird Annette Klasing wieder bangen. „Wir haben uns entschieden, die Fortbildung trotz der Anschläge durchzuführen. Allerdings wurden ja zeitweilig von Seiten Israels Flüge nach Deutschland verboten. Sollten die Amerikaner demnächst Angriffe fliegen, kann uns das wieder blühen.“

Es wäre schade drum, wo sich doch mit Hilfe des LidiceHauses ganz langsam eine Partnerschaft zwischen Bremen und einer paläs-tinensischen Gemeinde aufgebaut hat. „Es gibt ein paar Palästinenser in Bremen, die hoffen, dass es eine Demokratisierung innerhalb Israels geben wird.“ Autonomie-Palästinenser sehen das allerdings mehrheitlich ganz anders. Sie hätten ein gespaltenes Verhältnis zu Israelis , was sich teilweise bis nach Bremen bemerkbar mache, sagt Klasing. spo