Perfide Projektionen

Das Eiszeit-Kino zeigt ein rassistisches Plädoyer für die Wiederaufnahme deutscher Kolonialpolitik: „Ich hatt’ einen Kameraden“ von Conrad Wiene aus dem Jahr 1926

Mit seinem Dokumentarfilm „Befreien Sie Afrika“ hatte der Berliner Filmemacher Martin Baer vor zwei Jahren den latenten Rassismus herausgekehrt, der das deutsche Afrikabild nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich geprägt hatte. Der didaktische Wert seiner cleveren Collage ergab sich aus Baers dekonstruktivistischer Montage des vielgestaltigen Materials von Spielfilmen über Reportagen bis zur Schlagermusik. Das Wechselspiel von Politik und Populärmythen hat über die Jahre im deutschen Kopf das neue Bild eines mythischen Afrikas produziert, das letztlich der Rhetorik der Aufgabenstellung „Befreien Sie Afrika“ aus dem Gesellschaftsspiel „Risiko“ folgt: Die armen Neger sind immer noch nicht der Zivilisation befähigt, also muss der weiße Mann ran (zuletzt Somalia 1993). Darin verfasst sich ein Machtverhältnis, das den alten Kolonialgeist munter weiter belebt. Dass dieses postkoloniale Trauma auch einen guten Teil der Filmgeschichte vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten ausmacht, zeigt eine seltsame Ausgrabung, die morgen Abend im Eiszeit-Kino in Kreuzberg zu sehen ist.

Der Stummfilm „Ich hatt’ einen Kameraden“ (1926) von Robert Wienes Bruder Conrad ist ein unverhohlenes Plädoyer für die Wiederaufnahme deutscher Kolonialpolitik und projiziert ein Menschenbild, das gezeichnet ist von Verachtung und hoffnungsloser Selbstüberschätzung. Solch ein zwielichtiges Machwerk zeigt man heute nicht mehr ohne triftigen Grund. Der Filmabend hatte ursprünglich die Funktion, eine kleine Ausstellung im Foyer des Roten Rathauses mit dem Titel „A wie Afrika, D wie Deutschland“ zu begleiten, die aufgrund von Schlampereien seitens der Stadtväter momentan immer noch ohne Ort ist.

Die Ausstellung war der erste Versuch einer öffentlichen Dokumentation über das Leben von Deutsch-Afrikanern, das bis heute immer noch im Verborgenen stattfindet. Welche Mechanismen bei der Assimilation der afrikanischen Kulturen in das deutsche Gesellschaftsgefüge vom Beginn der Kolonialzeit an gearbeitet haben, sollte die Ausstellung ebenso zeigen wie die Funktion der aus den deutschen Kolonien stammenden Afrikaner in der Gesellschaft, meist in der Unterhaltungsbranche, zu Zeiten der Weimarer Republik bis weit ins Dritte Reich.

Die deutsche Gefühlslage pendelte stets zwischen Hass und Furcht. Dieses Unwohlsein zeigt sich in Wienes Propagandafilm „Ich hatt’ einen Kameraden“ besonders deutlich. Umso weniger überrascht auch die positive Resonanz in der zeitgenössischen Presse. Von „schönen Bildern“ und „starken Momenten“ wurde da gesprochen, wenn die völkische Seele keine Ruhe geben wollte. Tobias Nagl, Kurator des Themenblocks „Afrikaner im deutschen Film“, hat bei seinen Recherchen erstaunliche Parallelen zur amerikanischen „Minstrelsy“ entdeckt und in vielen, meist nur in Archiven einzusehenden Filmen eine rassistische Ikonografie ausgemacht, die weit über die von Baer gefundenen Bilder hinausgeht.

Der Teufel steckt im Detail, wie Spike Lee kürzlich erst mit „Bamboozled“ zeigte. Die Rolle des damals bekanntesten afrodeutschen Schauspielers Louis Brody in Wienes „Ich hatt’ einen Kameraden“ ist bezeichnend für die perfiden Projektionen, die hier geleistet wurden. Brody spielt einen domestizierten Kolonie-Soldaten im Stile eines wilden Stammeshäuptlings, dessen Frau (die Schauspielerin Andja Zimowa in einer „Blackface“-Performance) dem edlen weißen Soldaten verfällt. Als er sich daraufhin einige für diese Zeit ungewöhnliche Black-Power-Sprüche leistet, muss er sterben. Brodys andere Rollen entsprachen ebenfalls rassistischen Stereotypen. An seiner Filmkarriere wird die „Knecht/Feind“-Dialektik, die Frantz Fanon im Verhältnis von Schwarzen und Weißen ausgemacht hatte, evident: Entweder du bist mein Diener oder mein Feind. Und musst sterben.

ANDREAS BUSCHE

Stummfilmvorführung mit Live-Vertonung, Eiszeit-Kino, Sa, 22.9., 19 Uhr 30