Rote Karte für den grünen Punkt

Das Duale System steht kurz davor, zwei weitere große Drogerieketten als Mitglieder zu verlieren: Rossmann und Müller. Derweil zweifeln die Prüfungsbehörden an der Rechtmäßigkeit des Ausstiegs der beiden Vorreiter Schlecker und dm

von CONSTANTIN VOGT

Harte Zeiten für den grünen Punkt: Nach Schlecker und dm gibt es zwei neue Ausstiegs-Kandidaten. Die Drogerie-Ketten Rossmann und Müller möchten in der kommenden Woche bekannt geben, ob sie dem Dualen System (DSD) ebenfalls den Rücken kehren. Die Drogisten wollen DSD-Gebühren sparen und billigere Entsorger beauftragen. Bisher haben sämtliche Handelsketten und Verpackungsproduzenten Lizensgebühren an das Duale System gezahlt. Das DSD hat dafür das Recycling übernommen. Die Drogisten brechen jetzt mit der Solidargemeinschaft der Lizenznehmer. Sie nehmen die Dienstleistungen des grünen Punktes weiter in Anspruch – ohne dafür zu zahlen.

Die DSD-Chefs sind sauer, das Umweltministerium denkt angeblich über eine Änderung der Verpackungsverodnung nach und die Prüfungsbehörden äußern „große Zweifel“. Die Drogisten ihrerseits machen keinen Hehl aus der Trittbrettfahrerei: Ein dm-Sprecher hat sich am Montag in Mainz offen dazu bekannt und angekündigt, selbst das drohende Bußgeld sei angesichts der Einsparungen (maximal 100.000 Mark) akzeptabel.

Bei Schlecker und dm übernimmt künftig der private Entsorger Belland Vision die Entsorgung des Verpackungsmülls der Eigenmarken. Das Unternehmen aus dem fränkischen Pegnitz wird in den Märkten Abfallsammelstellen einrichten. Nach eigenen Angaben spart dm damit fast ein Drittel an Kosten. Das entspräche etwa 1,5 Millionen Mark – das macht gerade einmal 0,6 Prozent des Jahresumsatzes von 2,3 Milliarden Mark aus. Aber: Die Verbraucher werden ihren Müll wohl kaum zurück in den Laden bringen, sondern weiter zu Hause in den gelben Sack stopfen. Daran zweifelt auch Belland-Geschäftsführer Thomas Stickling nicht: „Dem Verbraucher ist schließlich egal, wo sein Müll landet.“ Das Duale System will sich wehren. „Wir werden die Lizenzgebühren nachträglich in Rechnung stellen“, kündigte Pressesprecher Achim Stuchholz gestern gegenüber der taz an.

Das ist allerdings nur dann erlaubt, wenn die Drogisten die gesetzlichen Quoten nicht erfüllen. Laut Verpackungsverordnung sind Schlecker und dm verpflichtet, knapp 70 Prozent ihrer Verpackungen zu recyceln. Das müssen sie zum 1. Mai 2002 nachweisen. Bis dahin werden wohl andere Supermarkt- und Drogerieketten stillhalten. Klar ist aber, dass nicht alle diesen Weg gehen können. „Es braucht eine Solidargemeinschaft, die man ausnutzen kann“, sagt DSD-Specher Struchholz.

Die Erfüllung der Quoten wird „sehr, sehr schwierig“, prophezeit Roland Bühler, Referent für die Verpackungsverordnung im baden-württembergischen Umweltministerium. Dm hat seinen Hauptsitz in Karlsruhe, deshalb ist die Landesbehörde zuständig. Alleine mit den in den Drogeriemärkten eingesammelten Verpackungen können dm und Schlecker die Quoten auf keinen Fall erfüllen – da sind sich alle Beteiligten einig. Um die gesetzlichen Vorgaben doch noch zu erfüllen, gründen die Drogeristen zusammen mit Belland eine Selbstentsorgergemeinschaft. „Das ist der Trick“, erklärt Abfallexperte Bühler. Die Gemeinschaft ermöglicht es den Drogisten, die Überschüssen anderer Kunden von Belland auf die eigenen Recycling-Defizite aufzuschlagen.

Da wären etwa die Cinemaxx-Kinos sowie zahlreiche Krankenhäuser und Kantinen. Diese liegen mit ihren Quoten weit über den gesetzlichen Vorgaben. Ob Belland mit diesem Vorgehen tatsächlich durchkommt, das sei zumindest fraglich, so Roland Bühler. Wie groß die Müllberge tatsächlich sind, konnten oder wollten Schlecker, dm und Belland nicht sagen.