Kein Film mehr ohne Netz und Kasse

Nach der Musikindustrie fürchten sich auch die Produzenten von Spielfilmen vor dem freien Tauschverkehr im Netz: Gebührensysteme sollen schon jetzt verhindern, dass der PC mit Breitbandanschluss die billigste Leinwand aller Zeiten wird

von VERENA DAUERER

Das Web ist multimedial, aber ein Kino ist es noch lange nicht. Die Internetfirma Atom hat seit letztem Juni ihre guten Absichten aufgegeben und sich dem blanken Geldverdienen zum Überleben zugewandt. 150 der 200 Mitarbeiter wurden entlassen und gleichzeitig verkündete man, dass die Zeiten des Unternehmens als Sponsor und Produzent von Kurzfilmen vorbei seien.

Sind sie das wirklich? Atom, mittlerweile „AtomShockwave“ genannt wegen der rettenden Fusion des Webportals mit Shockwave.com, den Webspielseiten des Softwareunternehmens Macromedia, wendet sich von nun an nur noch der Distribution von Filmen zu: ein lukrativeres Geschäft offline.

Dennoch haben mit einer gewissen Zeitverzögerung auch die Filmproduzenten in Hollywood erkannt, dass man Filme übers Netz kaufen und angucken kann. Sie probieren jetzt das Pay-per-view-Verfahren für alle, die schon einen Breitbandanschluss zu Hause haben: Im August beschlossen die fünf Majors Sony, Warner, Universal, Paramount und MGM ein Joint Venture, um einen Spielfilm-Bringdienst übers Web aufzubauen, Video-on-demand und gegen Gebühr eben Blockbuster statt Pizza.

Ziel ist, den Raubkopien vorzubeugen und sicherheitshalber schon mal im Voraus zu jammern, dass die Filmindustrie das gleiche Schicksal ereile wie bereits die Musikindustrie mit ihrem Napster. Yair Landau, President von Sony Pictures Digital Entertainment, glaubt, dass die Mehrheit der Konsumenten das Urheberrecht hochhält und zu zahlen bereit wäre, wenn es ein Bezahlsystem gebe, um Filme über das Internet anzuschauen. „Wir wollen ehrlichen Leuten eine ehrliche Alternative geben“, sagt er der New York Times und glaubt noch fester an deren Zahlungsfreudigkeit.

Leider soll sich der bezahlte Netzfilm, mit welcher Technik auch immer, 24 Stunden nach dem Download selbst zerstören. Streamen wäre eine andere Möglichkeit. Die bietet zum Beispiel CinemaNow für Spielfilme kleinerer Produktionsfirmen an: Zwei Tage lang kann man sich das bezahlte Werk anschauen, mit all den Unsäglichkeiten, die das Streamen mit sich bringt wie Ruckelbilder und verschobener Synchronisation. Abgesehen mal von der Voraussetzung, ständig online sein zu müssen. Was immerhin gut funktioniert, ist zumindest die Herstellung eines Films über das Internet: Die Bilder auf dieser Seite stammen aus dem Animationsfilm „Wave Twisters“, von dem es zunächst nur den Soundtrack von DJ Qbert gab. In Arbeitsteilung wurden dann vom Regisseur Syd Garon und drei Animateuren räumlich unabhängig voneinander übers Web die Bilder zusammenkreiert. (www.wavetwisters-themovie.com) Vielleicht gerade deshalb wurde „Wave Twisters“ beim digitalen Filmfestival „Resfest“ besonders geliebt, denn der Gruppe in New York, die das Webportal unter www.res.com betreut, liegt alles teilweise oder ganz digital Entstandene oder Gedrehte am Herzen, vornehmlich Indiefilme, Animationen und Videos. Das Festival gleichen Namens gibt es schon seit fünf Jahren, alle zwei Monate erscheint außerdem ein Printmagazin.

Als digitale Schnittstelle von Design, Internet und Kino sieht sich RES und mixt geschickt Theorie mit Technik. So berichtet die Regisseurin Agnes Varda in der aktuellen Heftausgabe irritiert über das Drehen und Schneiden auf DV für ihre neue Dokumentation, weiter hinten werden die neusten Vorzüge der Apple-Schnittsoftware Final Cut und die besten Tools für Club-VJs vorgestellt. RES beschäftigt sich mit DV, motion graphics, sfx, gestreamtem Film, Flash und Videoclips. vdauerer@t-online.de