„Stasi – Kimmel, auch du?“

Ein Gutachten des Historikers Hubertus Knabe belegt die Stasi-Tätigkeit von „Bild“-Vize Klaus-Dieter Kimmel

LEIPZIG taz ■ „Stasi – Dubinski, auch Du!“, titelte Bild am 31. August 2001, und ein stellvertretender Chefredakteur, der solche Sätze mit abzusegnen hat, stand selbst einmal als IM im Dienst der Stasi: Klaus-Dieter Kimmel, verantwortlich für die Ausgaben in Ostdeutschland. Seine Akte wiegt deutlich schwerer als die des Schlagermoderators Ingo Dubinski, der bald wieder vor die Kamera darf.

Zwar sind die Vorwürfe gegen Kimmel schon älter. Aber seit einer Woche liegt auf dem Schreibtisch seines Vorgesetzten Kai Diekmann ein neues Gutachten des Stasi-Forschers Hubertus Knabe. Auftraggeber: der Axel Springer Verlag selbst. Knabe kommt darin zu dem Ergebnis, dass es an Kimmels Stasi-Tätigkeit keinen Zweifel gebe. Der Journalist habe Mitte der Siebzigerjahre „andere Menschen schwer belastet“, so Knabe.

Kimmel gab seine Stasi-Tätigkeit 1977 auf. Doch 1988 bot er seine Dienste erneut an. Dass aus dieser Zeit nur die Verpflichtung, aber keine Berichte vorliegen, war bislang Grund genug für Bild-Chef Kai Diekmann, seinen Ost-Chef Kimmel zu halten. Doch Knabe schließt nicht aus, dass Kimmel auch nach 1988 Berichte geschrieben hat. Eine Karteikarte verweise eindeutig auf einen entsprechenden – aber verschwundenen – Band.

Wann Bild und der Verlag Stellung zu Knabes Gutachten beziehen werden, war gestern nicht zu erfahren. Das ist bemerkenswert, weil die Blätter des Verlags bei weniger eindeutigen Stasi-Fällen schnell zu einem Urteil kommen. Im Frühjahr druckten Springers Welt und auch Bild Artikel, nach denen die Stasi westdeutsche Journalisten angeheizt und mit Propaganda gegen den Springer-Verlag gefüttert hätten. Autor der teilweise unbewiesenen Vorwürfe auch hier: Hubertus Knabe. Bei Kimmel ist die Stasi-Tätigkeit zwar eindeutig, Artikel zum Gutachten finden sich in den überregionalen Springer-Zeitungen aber nicht. Das lässt nur einen Schluss zu: Der Verlag instrumentalisiert die Stasi-Debatte nur dann, wenn sie ihm nützt.

Besonders ärgern dürfte man sich im Verlag, dass ausgerechnet Knabe, dessen Seriosität man nie in Zweifel zog, mit seinem Gutachten Schwierigkeiten macht. Diekmann muss es gut begründen, wenn er einen ehemaligen SED-Propagandisten als Ost-Chef protegieren will. Vielleicht wollte Bild Ende August mit der Dubinski-Schlagzeile zeigen, dass auch Stasi-Leute kritisch über das DDR-Erbe berichten können. Im Fall Dubiniski ist sie über das Ziel weit hinaus geschossen. RALF GEISSLER