Giftmörderinnen,Widerstandskämpferinnen

■ „Gesches ,Schwestern'“ erzählt von Straftäterinnen aus den letzten Jahrhunderten

„Bei meinem Bund mit dem Satan habe ich unter anderem die Worte gebraucht: ,Solange alß ich lebe, will ich dem Teufel treu und hold seyn'.“ So klang das „Geständnis“ von Gretke Kramer, das sie im Jahre 1603 unter dem Schmerz von Daumen-, Fuß- und Beinschrauben ablegte. Soweit die „juristische“ Beweisaufnahme im Fall Kramer, doch noch bevor es zur Gerichtsverhandlung kam, verstarb Gretke an den Folgen der Folter. Ein Kriminalfall aus dem Buch „Gesches ,Schwestern'“, in dem Bremer Straftäterinnen der letzten Jahrhunderte beleuchtet werden. Die Herausgeberin Hannelore Cyrus hat das Buch nach der Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried benannt.

Inwiefern ist Gretke Kramer eine „Schwester“ Gesche Gottfrieds? Mit „Schwestern“ sind Frauen gemeint, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten und verurteilt wurden. Das Buch bietet einen Querschnitt an Erzählungen über straffällig gewordene Frauen, angefangen mit den Hexenverbrennungen im 16. Jahrhundert bis zu dem Bericht der Gefängnisinsassin Sabine Bomeier aus der Gegenwart. Freilich wurden über die Epochen unterschiedliche Gesetze und Strafen angewandt. Daher liegt die Frage auf der Hand, ob diese Fälle überhaupt vergleichbar seien und man die beschriebenen Frauen unter dem Begriff „Gesches ,Schwestern'“ in einen Sack stecken könne.

Schließlich könnten die Fälle kaum unterschiedlicher sein: Das Buch gibt in chronologischer Ordnung die Biografien von Frauen wieder, die der Hexerei angeklagt wurden, von Diebinnen und von Frauen, die andere bei der Abtreibung unterstützten, den so genannten „Engelma-cherinnen“. Aber es beschreibt auch das Leben von Widerstandskämpferinnen im Dritten Reich und Prostituierten in der Nachkriegszeit. Sie alle haben eines gemeinsam: Ihre spezifisch weiblichen Erfahrungen in Gerichtsverhandlungen und Strafvollzugsanstalten.

Der Titel lockte über dreißig Zuhörerinnen, ohne die acht männlichen Interessierten unterschlagen zu wollen, in die Stadtbibliothek Neustadt. Das Publikum war offensichtlich berührt von den lebendigen Lesungen der Autorinnen.

Zu den Gesetzen, die nur in bestimmten historischen Zeiten Gültigkeit besaßen, gehörten auch die so genannten fleischlichen Vergehen: Der voreheliche oder uneheliche Geschlechtsverkehr, die Verheimlichung von Schwangerschaft und Geburt, die Prostitution und die Kuppelei. Auch waren Hebammen verpflichtet, die Geburt unehelicher Kinder zu melden und, wer eine Klage wegen Vergewalti-gung erheben wollte, musste lautes Geschrei während der Tat nachweisen und sechs Zeugen benennen können. Geschlechtsspezifische Behandlung bei Sexualdelikten – „so lange ist das bei uns auch noch nicht her“, stellt Hannelore Cyrus den Bezug zur Gegenwart her. Janne Klöpper hat sich mit dem Strafgesetz aus feministischer Sicht beschäftigt. „Bis 1998 wurde nur die außereheliche Vergewaltigung anerkannt“, zählt sie die letzte diesbezügliche Änderung im Strafgesetz auf. Janne Klöpper erörterte in ihrem Vortrag die Verbrechen, für die nur Frauen als Täterinnen in Frage kamen. Dazu zählte zum Beispiel die Tötung des unehelichen Kindes während oder gleich nach der Schwangerschaft. Bei einer ungewollten Schwangerschaft und darauf folgenden Abtreibung musste der Mann niemals mit einer Strafe rechnen. Janne Klöpper warf die Frage auf, wie wohl ein Strafrecht aussehe, das nicht der patriarchalen Gesellschaft entspräche, sondern „die Interessen von Frauen vertreten würde“, und erzählte von einem aktuellen Gesetzesentwurf, nach dem Prostituierte juristischen Anspruch auf Lohn hätten.

„Gesches ,Schwestern'“ gibt einen Überblick über die Entstehung der Frauenrechte und die Motive von Straftäterinnen. Durch die einfache und verständliche Sprache und den logischen Aufbau liest sich das Buch flüssig und lässt die Leserin, beziehungsweise den Leser, heute noch herrschende Diskriminierungen mit den historischen Fakten im Hinterkopf betrachten.

Britta Schatz

„Gesches ,Schwestern'“ ist im Verlag Hauschild erschienen.