Tiefere Kluft zwischen Ost- und West-Unis

Leistungslöhne für Professoren sind ein wichtiger Reformschritt an den Hochschulen. Den Osten aber stellt sie vor fast unlösbare Probleme. Den Ost-Unis fehlt das Geld, um mit denen im Westen zu konkurrieren, meint Klaus Faber

Unter dem Titel „Reform des Hochschuldienstrechts“ laufen zurzeit zwei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung. Mit dem ersten Projekt will Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) im Hochschulrahmengesetz die Juniorprofessur verankern. Mit der zweiten Novelle wird Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) die Professorenbesoldung neu regeln – künftig soll die Entlohnung von Professoren auch flexible, leistungsbezogene Elemente enthalten. Eine der vorgesehenen Bestimmungen erlaubt es den einzelnen Ländern, jährlich ihre durchschnittlichen Ausgaben für Professorenstellen zu erhöhen – um bis zu zwei Prozent. Das soll genug finanziellen Spielraum für den Einsatz der neuen Leistungskomponente schaffen.

Nun liegen die durchschnittlichen Kosten pro Professorenstelle aus verschiedenen Gründen im Osten Deutschlands deutlich unter denen im Westen. Um überregional wettbewerbsfähig zu werden, müssten die ostdeutschen Länder also eigentlich daran interessiert sein, eine höhere Steigerungsrate als die genannten zwei Prozent anzustreben. Sie tun es aber nicht: Die Ost-Länder machen geltend, dass sie das finanziell überfordern würde. Daher lehnen sie ab, was sich zum Beispiel Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg wünscht: die jährliche Steigerung der Professorenkosten nach oben zu öffnen. Für den Osten hat die Zwei-Prozent-Regel wettbewerbspolitisch eine bittere Konsequenz: Das ohnehin schon bestehende Besoldungsgefälle zwischen Ost und West wird auf längere Zeit bestehen bleiben.

Auch aus anderen Gründen vertieft sich im Hochschulwesen die Kluft zwischen den Ländern. Negativ betroffen sind davon nicht ausschließlich, aber doch vorrangig ostdeutsche Regionen. Noch immer studieren in Ostdeutschland weniger Jugendliche als im Westen. Die Kapazitäten der Ost-Hochschulen liegen vielfach hinter denen in Westdeutschland weit zurück. Daran wird sich aus strukturellen Gründen in den meisten ostdeutschen Regionen in absehbarer Zeit nichts Wesentliches ändern. Hochschulen und Forschungsinstitute erfüllen deshalb im Osten eine wichtige Auffangfunktionen gegenüber den Strukturdefiziten.

Einige ostdeutsche Länder – nicht alle – haben daraus die richtige Schlussfolgerung gezogen, ihre Wissenschaftseinrichtungen nicht etwa der schlechten Finanzlage folgend abzubauen, sondern sie im Gegenteil auszubauen. Sie werben für ein Studium in Ostdeutschland auch mit dem Argument, dass dort nicht selten bessere Studienbedingungen herrschen als im Westen; dass es dort ausgesprochen interessante Hochschulen gibt.

Uni-Abbau verschärft die Strukturkrise des Ostens

An der 1991 neu gegründeten Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zum Beispiel sind 40 Prozent der Studenten Ausländer – mehr als an jeder anderen deutschen Hochschule. Und es könnten nach den Bewerbungszahlen, vor allem aus Polen, noch mehr sein. Dieses Beispiel zeigt, dass die in Ostdeutschland zurzeit zurückgehenden Schülerjahrgangszahlen kein Grund sein müssen, die Wissenschaftskapazitäten zu reduzieren (wie das einige der Ost-Finanzminister vorschlagen). Das Gegenteil ist der Fall: Eine Abbaupolitik an den Hochschulen würde die Strukturkrise in Ostdeutschland verschärfen.

Gemessen an den Hochschulausgaben pro Kopf der Bevölkerung liegen einige ostdeutsche Flächenstaaten am Ende der deutschen Leistungsbilanz. Als Begründung dafür ist immer wieder zu hören, eine adäquate Wissenschaftsförderung übersteige die Möglichkeiten der Länder. Infrastrukturinvestitionen in diesem Sektor seien notwendig, aber aus eigener Kraft – vor allem nach der Kürzung der Einnahmen durch die Steuerreform – nicht zu finanzieren. Sollte, wie dies finanzstarke Länder vorschlagen, auch noch die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, bei der sich Bund und Länder die Kosten teilen, ersatzlos wegfallen, dann würde dies das Auseinanderdriften der Länder noch beschleunigen.

Nach einer neueren OECD-Studie liegt Deutschland bei den Bildungsausgaben zurück. Die USA, Japan, Korea, Schweden, Finnland oder Israel leisten dort wesentlich mehr. Ähnliches gilt für die Anteile der Studenten am jeweiligen Altersjahrgang. Bei genauem Hinsehen bestehen besondere Defizite in der Hochschulfinanzierung, für die – was jetzt nicht mehr überraschen kann – überwiegend die Länder zuständig sind. In dieses Bild passt auch, dass die Finanzminister der Länder es am Wochenende rundweg ablehnten, für Bildung mehr Geld zur Verfpgung zu stellen. Sie wollen, so ihr einstimmiger Beschluss, an Schulen und Hochschulen sogar sparen.

Deutschland in seiner Gesamtheit fehlt keinesfalls die Finanzkraft, um im internationalen Wissenschaftswettbewerb mithalten zu können. Die Verfassungsinstrumente für ein stärkeres Bundesengagement sind vorhanden – wie etwa die Hochschulsonderprogramme. Die Unterfinanzierung im Hochschulwesen Ost wäre also überwindbar. Fraglich ist allerdings, ob die politische Debatte auf dem Stand ist, der zum Handeln führt – zum gemeinsamen Handeln von Bund und Ländern.

Die Bundesregierung hat nach 1998 den Wissenschaftshaushalt auf einen Höchststand gebracht. Die Bafög-Reform und das Innoregio-Programm zur Förderung der ostdeutschen Wissenschaft profitieren davon. Um die Auseinanderentwicklung im Hochschulwesen aufzuhalten, sind allerdings weitere Schritte erforderlich. Das ist auch gar kein Geheimnis. Eine Projektgruppe beim SPD-Bundesvorstand, immerhin unter Leitung von Bundesministerin Christine Bergmann, hat dies kürzlich festgehalten: Notwendig sei es, regionale Wissenschaftszentren einzurichten und den Hochschulausbau in Ostdeutschland zu unterstützen.

Ein dauerhaftes Auseinanderdriften der Finanzen in den Hochschullandschaften stellt das Ziel in Frage, im Bundesgebiet einheitliche Lebensverhältnisse herzustellen. Ohne Wissenschaft kein durchgreifender Aufschwung Ost – nicht nur Wolfgang Thierse vertritt diese These. Die jetzt deutlich werdenden finanziellen Engpässe des Ostens bei der Hochschullehrerbesoldung sollten als Warnzeichen verstanden werden. Ein rechtzeitig eingeleitetes Investitionsprogramm kostet viel weniger als der Versuch, frühere Versäumnie auszugleichen. KLAUS FABER

Der Autor, Rechtsanwalt in Potsdam, war bis 1990 Ministerialbeamter im Bundesbildungsministerium, später (1994–1999) Staatssekretär des Kultusministeriums Sachsen-Anhalts.