dieser verdammte krieg (Xlv)
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ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Play Bach mit Gasmaske

Isaac Stern hat bei Giftgasalarm in einem Konzert, das er während des Golfkriegs in Israel gab, mit Gasmaske weitergespielt. Übrigens Bach. Auf der anderen Seite moderierte Peter Arnett mit Gasmaske und schusssicherer Weste. Hätte er sich geweigert, er wäre von CNN entlassen worden, verriet er später.

Seither stehen Reporter gerne hunderte Kilometer vom Geschehen entfernt mit kugelsicheren Westen, an denen man erkennen soll, wie teuflisch mutig auch sie sich der Gefahr aussetzen. Eine eigene Spezies Kriegsgewinnler.

Im jüngsten Spiegel stehen also auch die beiden New Yorker Reporter Hüetlin und Osang vor dem Chrysler Building (!) und tragen lächelnd Mundschutz zur Schau. Das schamlose Angeben mit den Trophäen der Katastrophe, mit der Suggestion der eigenen Gefährdung gehört so sehr in die Bildsprache von Landserheftchen wie das rituell vorgetragene Mitleid, das doch nie so viel Raum gewinnt wie das eigene Ego. Hält man im Kopf dagegen das berühmte Foto des kleinen vietnamesischen Mädchens, das nackt, schreiend unter Napalm-Verbrennungen, die Straße hinunterläuft, so hat man ein Motiv vor sich, das kaum mehr freizulegen ist unter all den moralischen Sedimenten von Sentimentalität und echter Rührung.

Was hat es bewirkt? Vergleichbare Fotos ließen sich heute in Afghanistan aufnehmen, doch es gibt kein Organ, das sie sieht. Denn im Krieg ist die Anstrengung, zu legitimieren, so groß, dass schon Mitgefühl den Falschen gegenüber zu einer illegitimen Regung wird. So bieten sich als Gegenstand der Rührung die Reporter lieber selbst an.

MORGEN: Wiglaf Droste