berliner szenen
: Der böse Mann

Und sein Joghurt

Ich stehe auf dem Dach eines ziemlich hohen Gebäudes in Charlottenburg, blicke hinüber nach Mitte und plötzlich singt Jan Eißfeldt in meinem Hinterkopf: „Der böse Mann mit dem kleinen Bart ist noch gar nicht tot. Mindestens zweimal am Tag sagt er mir Hallo! Aber das ist noch gar nicht das schlimmste, Mann. Viel grausamer ist, daß er jetzt auch noch grinsen kann!“ In das Panorama dieses schönen Herbsttages hat sich etwas eingeschlichen, was da nicht hingehört. Der Reihe nach: Kanzleramt, Fernsehturm, Rotes Rathaus – soweit alles okay. Doch neben dem Rathausturm ein weiterer Turm, von oben bis unten ganz in rot, in der Mitte ein weißer Kreis mit aus der Ferne unidentifizierbarem Inhalt. Verwirrung: Irgendwo hatte ich so was schon gesehen – war es vielleicht in einem Film über die Nürnberger Parteitage? Hatte eine Nazi-Untergrundarmee klammheimlich einen Staatsstreich ausgeführt und zum Zeichen des Sieges in Mitte eine gigantische Hakenkreuzfahne gehisst? Während sich die eine Gehirnhälfte noch mit dem Irrationalen beschäftigt, erinnert sich die andere an die S-Bahn-Fahrt vom Tag zuvor: „Vodafone“ steht auf einem Baugerüst zwischen Alex und Jannowitzbrücke, das von einer roten Bauchbinde mit rundem, weißen Logo geschmückt wird. Und darunter in kleineren Buchstaben, dass das größte Mobilfunkunternehmen der Welt die Renovierung des Stadthauses großmütig mit ein paar Märkern unterstützt. Um Eißfeldt noch einmal das Wort zu geben: „Und natürlich hat er jetzt auch ’ne eigene Homepage. Oh Lord, er fährt jetzt auch Snowboard. Packt alle Vitamine die es gibt in einen Joghurt“ – und ganz sicher bewusstseinsverändernde Drogen in die Charlottenburger Luft. Wort drauf.DANIEL FERSCH