„Wir gaben nicht nach“

Rechtsanwalt Volker Ratzmann, der für die Berliner Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt, lobt die rechtsstaatlichen Sicherungen, die in das Gesetzespaket aufgenommen wurden

taz: Die grüne Bundestagsfraktion sieht ihr Verhandlungsergebnis mit Otto Schily als Erfolg. Teilen Sie als bekannt unnachgiebiger Bürgerrechtler diese Ansicht?

Volker Ratzmann: Zunächst will ich darauf hinweisen, dass bis jetzt nur die Eckpunkte einer Einigung vorliegen. Wir müssen deshalb auch die Umsetzung in einen konkreten Gesetzestext genau beobachten. Unter den herrschenden Bedingungen kann man mit dem Verhandlungsergebnis aber halbwegs zufrieden sein. Die schlimmsten Hämmer aus Schilys Paket wurden entfernt oder abgemildert. So ist zwar immer noch eine deutliche Verschärfung der Rechtslage geplant, aber damit wird man wohl leben müssen.

Was waren für Sie die schlimmsten „Hämmer“?

Nach Schilys Plänen sollte das BKA verdachtsunabhängige Ermittlungen ohne staatsanwaltliche Kontrolle aufnehmen können. Das war sicher der gefährlichste Vorhaben, denn so wäre eine Bundespolizei mit bisher nicht da gewesener Machtfülle entstanden. Dieser Vorschlag ist nun aber zum Glück vom Tisch. Wenn Schily jetzt die „Zentralstellenkompetenz“ des BKA aufwerten will, dann ist damit wohl gemeint, dass die Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämter entbürokratisiert und technisch vereinfacht werden soll. Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden.

Gibt es aus Ihrer Sicht weitere positive Verhandlungsergebnisse?

Eine Ausweisung aufgrund bloßer Verdachtsmomente ist nicht mehr vorgesehen. Dies verbessert den Rechtsschutz für Ausländer, denen Kontakte zu terroristischen Organisationen vorgeworfen werden. Außerdem konnte die parlamentarische Kontrolle der neuen Geheimdienstbefugnisse bei der Kontenüberwachung durchgesetzt werden. Und schließlich wird die Gestaltung der Pässe und Personalausweise vom Gesetzgeber und nicht vom Bundesinnenministerium vorgenommen. Es ist also jeweils gelungen, rechtsstaatliche Sicherungen einzubauen – was aber noch nicht garantiert, dass wir auch mit dem Ergebnis und der Praxis der Behörden zufrieden sein werden.

Warum war dieser relative Erfolg gegen den Innenminister möglich?

In erster Linie ist das dem öffentlichen Druck der Bürgerrechtsorganisationen sowie der etablierten juristischen Fachverbände zu verdanken. Wenn auch der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund gegen ein Vorhaben Front machen, dann ist die bürgerliche Öffentlichkeit natürlich alarmiert. Letztlich kam es aber auch auf die Standhaftigkeit der Grünen an, die an bestimmten Punkten nicht nachgegeben haben.

Die Gesetze zur Sicherheitsüberprüfung von Flugpersonal sowie im Geheimdienstbereich sollen auf fünf Jahre befristet werden. Ist das ebenfalls ein Erfolg oder bloße Symbolik?

Das ist dann ein Erfolg, wenn in der Zwischenzeit die Anwendung dieser Gesetze von unabhängigen Wissenschaftlern untersucht wird. Der Bundestag muss vor der Entscheidung über eine Verlängerung der Regelungen wissen, ob die Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus tatsächlich nützlich waren und wie sie sich auf Unbeteiligte auswirken.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH