dieser verdammte krieg (xx)
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ROGER WILLEMSEN führt heute das Kriegstagebuch der taz.

Die Nachsaison des Krieges

Auch Kriege sind ein Saison-Geschäft. Es gibt die Saison der Begeisterung in der Mobilmachung, dann die Saison des Nachdenklich-Werdens und Ernsthafte-Bedenken-Kriegens, abgelöst von der Saison des Den-Krieg-bis-hier-Habens, die zuletzt übergeht in Gleichgültigkeit gegenüber Propagandalügen und wahren Opferzahlen.

Wir befinden uns im Übergang von der Haupt- zur Nachsaison, d. h., es mehren sich jene, die erschreckt feststellen, dass es im Krieg Tote gibt und dass ein Krieg, dessen humanitäre Großtaten im Abwurf von Keksen und Himbeermarmelade in Minenfelder besteht, in der Zerstörung von Krankenhäusern und Rot-Kreuz-Depots, im Einsatz von Streubomben, dass dieser Krieg nicht einmal eingeschränkte Solidarität verdient.

Und weil dieser Krieg selbst in England keine Mehrheit mehr findet, trug Nebenfeldherr Tony Blair nun pastos Rührseligkeit auf und mahnte sein Volk: Vergesst die Nachrichten nie, die die Opfer auf den Anrufbeantwortern hinterließen. Ja! Zum Drama der Afghanen gehört, dass sie keine SMS-Botschaften, keine Voice-Mails hinterlassen, bevor sie aus dem Leben gebombt werden.

Wer aber hört, in welcher Sprache westliche Regierungschefs afghanische Opfer beklagen, der versteht: Rührung muss sich spezialisieren, sonst wäre sie illoyal.

Und während die Helden der griechischen Tragödie am Ende ausrufen: Das habe ich nicht gewollt, wird der Kriegstreiber im Westen am Ende – wie in Sarajevo, wie im Kosovo – die Achseln zucken und sagen: Schicksal!

Und damit meint er nicht mal sich selbst.

MORGEN: Wiglaf Droste